: NS-Opfer mahnen die CDU
Morgen wird der Vorsitzende des Zentralrats der Sinti und Roma vor dem Reichstag eine Unterschriftenaktion starten: So will er den Widerstand der CDU gegen ein Mahnmal brechen
von BARBARA JUNGE
Eine Fläche zwischen Reichstag und Brandenburger Tor ist bereits reserviert. Tiergarten hält ihn per Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung bereit. Die Berliner SPD steht hinter dem Projekt, ebenso Grüne und PDS in Land und Bund. Selbst die Bundesregierung ist zur Unterstützung angetreten. Und so kämpft die Berliner CDU wieder einmal allein auf weiter Flur gegen das historische Gewissen – diesmal gegen ein Mahnmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma.
Um die Ablehnungsfront der regierenden Christdemokraten zu überwinden, will der Zentralrat der Sinti und Roma jetzt die Berlinerinnen und Berliner um Unterstützung für den Bau eines Mahnmals bitten. Morgen, so hat der Zentralratsvorsitzende Romani Rose angekündigt, wird er vor dem Südeingang des Reichstags stehen und Unterschriften für einen entsprechenden Appell an Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) und den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) sammeln. Die Sinti und Roma fordern ein Mahnmal in zentraler Lage Berlins, die CDU will ein solches Mahnmal jedoch allenfalls in einer Randlage der Stadt.
Die Unterschriftenaktion ist ein neuer Höhepunkt in der Auseinandersetzung um ein Mahnmal für die 500.000 von den Nazis ermordeten Sinti und Roma. Eine schriftliche Vereinbarung über eine Errichtung eines solchen Mahnmals gibt es nicht – darin sind sich die Streitparteien einig. Wohl aber hat es Zusagen gegeben: von den früheren Berliner Senatoren Wolfgang Nagel, Ulrich Roloff-Momin und der Senatorin und heutigen Bundesministerin Christine Bergmann. Diese hatten dem Zentralratsvorsitzenden Rose versprochen, dass im Tiergarten ein Mahnmal entstehen soll.
Diese Zusagen nennt Diepgen heute „persönliche Meinungen“ der früheren Senatoren. Als solche seien sie nicht bindend. Um ganz sicher zu gehen, teilte Senatssprecher Michael-Andreas Butz unlängst mit, dass es im Senat „keine Mehrheit für ein großes Mahnmal in unmittelbarer Nähe zum Reichstag und in zentraler Lage“ geben werde. Der Kulturexperte der CDU-Fraktion, Uwe Lehmann-Brauns setzte noch eins drauf: Aus dem Stadtzentrum dürfe „keine Gedächtnismeile“ werden. Für die CDU gilt weiterhin, das Mahnmal könne in Marzahn erbaut werden. Dorthin hatten die Nazis die Roma und Sinti vertrieben, als Berlin die Olympiade feierte. Von dort aus wurden sie 1942 in Konzentrationslager deportiert.
Angesichts dieser Haltung wirft der Staatsminister für Kultur, Michael Naumann, der Berliner CDU eine „schwach entwickelte Sensibilität vor der mörderischen NS-Geschichte“ vor. Er fordert deshalb eine „schnelle und würdige Entscheidung“ Berlins über das Mahnmal. Sollte das Land nicht bald zu einer Lösung beitragen, werde sich der Bund im Alleingang mit den Opfergruppen „auf eine Alternative“ einigen und ein Grundstück des Bundes anbieten.
Naumann bezieht sich mit seiner Kritik auch auf den Beschluss des Bundestages zur Errichtung eines Mahnmals für die ermordeten Juden Europas. Dieser legt fest, dass auch Gedenkstätten für andere Opfergruppen zu bauen sind, Orte werden allerdings nicht genannt. Auch Lea Rosh, Vorsitzende des Fördervereins für das Holocaust-Mahnmal, bestätigt, sie habe Rose versprochen, für ein Mahnmal für die Sinti und Roma einzutreten. Sie hoffe, dass die CDU ihren Widerstand aufgebe (siehe Interview).
Den Optimismus teilt Klaus Wowereit, Chef der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus. „Es gibt einen Vorschlag im Tiergarten, der ist akzeptabel.“ Klar sei, dass es einen Ort des Gedenkens „an exponierter Stelle gegen muss“. Wowereit geht davon aus, dass sich davon auch der Koalitionspartner überzeugen lässt: „Die CDU wird dem öffentlichen Druck nicht standhalten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen