: „Schluss mit dem Stuss“
■ Die GegnerInnen der Rechtschreibreform wittern Morgenluft, seitdem die FAZ zum alten Regelwerk zurückkehren will.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat angekündigt, ab dem ersten August zur alten Rechtschreibung zurückzukehren – um zumimdest im eigenen Blatt die „Einheit der Orthographie“ wieder herzustellen (die taz berichtete gestern). Zuvor hatte eine andere große Tageszeitung verbreitet, in der 22. Auflage des Duden würden stillschweigend Teile des reformierten Regelwerks wieder zurückgenommen. Bremens Bildungssenator Willi Lemke, derzeit Vorsitzender der Kultusministerkonferenz, dementierte, dass die Reform klammheimlich reformiert würde. Aus dem niedersächsischen Kultusministerium in Hannover hieß es gestern, die Debatte sei „ein kleines Sommertheater“. Es habe keine Folgen für die Schulen im Lande.
Immerhin: Das Thema ist wieder im Gespräch, und die Gegner der neuen Rechtschreibung wittern Morgenluft. Die mit ihrem geplanten Volksbegehren gescheiterte Bürgerinitiative „Wir gegen die Rechtschreibreform“ sieht in der Diskussion den Anfang vom Ende der neuen Orthographie. Die taz sprach mit der Sprecherin Petra Ahrens über Elternfrust, alte Niederlagen und neue Hoffungen. Die 42jährige Hausfrau ist Mutter zweier Söhne und lebt in Bremen.
taz: Abonnieren Sie jetzt die FAZ?
Petra Ahrens: Ja, mit Sicherheit werde ich das machen. Die Zeitung liegt mir zwar überhaupt nicht, weil sie viel zu dick für mich ist. So dick, dass mein Briefträger sie am Wochenende nie in den Briefkasten stecken kann. Und ich hab' einfach nicht die Zeit mir so einen Wälzer durchzulesen. Aber man muss die FAZ jetzt unterstützen.
Warum genau?
Das ist ein Schritt, der ist nicht nur mutig, der ist auch weise. Er bedeutet das Ende der Rechtschreibreform. Endlich zeigt mal einer Rückgrat und sagt „Schluss mit diesem Stuss'“ Wir wissen doch alle, dass ein einziges Chaos entstanden ist, dass keine einheitliche Rechtschreibung mehr da ist, dass die Kinder etwas lernen, was außerhalb der Schule von niemandem angewendet wird.
Nach welchen Regeln richten sich denn ihre beiden Söhne?
Damit sie keinen Ärger mit der Lehrerin bekommen, müssen meine Kinder natürlich ihr „dass“ mit ss schreiben...
...und Schikoree statt Chicorée.
Ich krieg die Krise! Wie soll ich meinem Jungen „Ketschup“ vermitteln, wenn die Ketchup-Flasche auf dem Tisch steht und ohne s geschreiben wird! Es sind so viele Dinge. Ich will mal ein Beispiel nennen: Mein Sohn hat kürzlich ein Diktat geschrieben und hatte „nass“ mit ß und „Rollläden“ mit zwei l geschrieben, genau so wie wir beide es auch machen würden. Da hat die Lehrerin ihm erst einmal zwei Fehler angestrichen, die sie dann später wieder zähneknirschend zurückgenommen hat. Wir haben ja noch Übergangsfrist.
Aber warum sollte der Vorstoß einer einzigen Tageszeitung etwas an dieser Situation ändern? Warum naht das Ende der Rechtschreibreform?
Das ist ganz klar: Diese Aktion hat mehr Signalwirkung als alle Volksentscheide, die vielleicht noch gekommen wären. Die Macht kann jetzt wieder vom Volk ausgehen, vom Leser. Welche Handhabe hatten wir denn vorher? Wir haben zwar Unterschriften gesammelt wie verrückt, in allen Bundesländern, aber alles wurde behindert und plattgemacht, der Volksentscheid sogar gekippt.
Warum war denn Ihr Versuch, ein Volksbegehren durchzukriegen, nicht von Erfolg gekrönt? Haben Sie die notwendigen Stimmen nicht zusammenbekommen?
Kurz vor Toresschluß haben wir noch von einer Privatperson eine große Spende in Höhe von 25.000 Mark erhalten. Wir haben dann Tagespost gemacht, 140.000 Haus-Sendungen mit Unterschriftenlisten, Einsendeschluß am 14. Juli. An diesem Tag brach bei mir zu Hause die Hölle los. Aus fünf Stadtteilen kamen die Anrufe: Die Leute hatten die Listen erst am 14. bekommen. Die Post hatte neun Tage gebraucht, um unsere Tagespost auszuliefern! Das spielte alles eine Rolle: Erst einmal der verzögerte Unterschriften-Start, die politischen Versuche, das Volksbegehren zu verhindern, und dann, dass die Post – aus welchen Gründen auch immer – zur Schneckenpost wurde.
Das klingt nach Sabotage!
Ich kann's nicht beweisen. Die Post behauptet, sie hätte alles rechtzeitig in die Zustellbezirke gegeben. Für uns ist es deshalb tragisch gewesen, weil: Fristablauf ist Fristablauf. 15. Juli diesen Jahres ist Schicht im Schacht gewesen. Wenn wir hätten beweisen können, dass da Murks gemacht wurde und alle unter einer Decke stecken, hätte man das Volksbegehren wiederholen können.
Jetzt können sie sich wenigstens darüber freuen, dass ihr Thema wieder im Gespräch ist.
Das ist der absolute Hammer! Was mir jetzt wichtig ist: Ich fände es schön, wenn Willi Lemke als Präsident der Kultusministerkonferenz das praktiziert, was er noch im August vor der Presse geäußert hat: Er sehe keine Notwendigkeit für diesen Schmarrn – für die Rechtschreibreform.
Fragen: Milko Haase
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