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berliner szenenVon Amor aufgespießt

Oh, Cantopop!

„Sehe ich ein wenig seltsam aus?“, fragte Anthony Wong verlegen seine Zuhörer. Da stand er, nach seinem zweiten Kostümwechsel, wie ein schmächtiger Las-Vegas-Entertainer in glitzerndem Anzug und Cowboyhut auf der Bühne des Auditoriums im Haus der Kulturen. Noch schöner war aber der weiße Anzug mit den ausgebeulten Knien, den er zuvor abgelegt hatte: In dessen Rücken steckte ein Pfeil, der vorne auf der Brustseite wieder herausschaute – Anthony Wong, wie von Amor aufgespießt. Oh, Cantopop!

Zwischen Ironie und schönem Kitsch oszillierte dessen gesamtes Konzert. Cantopop, das ist Hongkong, wie es singt und schwelgt – eine comichaft bunte Fantasiewelt, bevölkert von heldenhaft hübschen Pop-Idolen, die vornehmlich im lokalen Dialekt der Region Kanton singen, daher der Name. Deren meist seichte Liebesballaden bilden den sublimen Soundtrack der Stadt, sie werden über Radio, Filme und TV in die ganze Region versendet und in Karaokebars tausendfach nachgesungen – ein Paralleluniversum des Pop, das jenseits der chinesischsprachigen Welt bisher allerdings wenig Verständnis findet.

Zur Einführung in diesen Kosmos hatte Anthony Wong seine Show „People Mountain, People See“ nach Berlin gebracht, eine Art Revue aus Hongkong-Hits der 70er, 80er und 90er sowie eigenen Stücken, dargeboten mit großer Band und Multimedia-Brimborium. Ein Trupp Schauspieler in schwarzen Anzügen sorgte zudem für szenische Untermalung, postierte sich mal wie ein gefährliche Triadengang, tanzte oder saß teilnahmslos auf Stühlen herum.

Cantopop, zumal der von Anthony Wong, kann seine britische Prägung nicht verleugnen und wirkt wie eine Spiegelung bekannter Motive in fremdem Kontext: Zitatpop auf Chinesisch. Pathetisch wie der frühe Bryan Ferry und schmachtend wie George Michael, erinnerte Anthony Wong ein bisschen an die Hauptfigur aus dem Film „Velvet Goldmine“, wie aus diversen Glamrock-Größen geklont. Aus seiner Bewunderung für David Bowie und dessen Berlin-Jahre machte der Sänger aus Hongkong jedenfalls keinen Hehl: „Gibt es das Hansa-Studio noch?“, fragte er, nachdem er ein Bowie-Stück in Mandarin gespielt hatte. Immerhin waren Fans im Saal, die den Sänger aus Hongkong kannten. So gab es ganz stilecht Wunderkerzen und Sonnenblumen zum Abschied.

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