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Fotos als Freundschaftsdienst

Kultur passt am besten: Städtepartnerschaften sind ein Aushängeschild für die globale Vernetzung. Doch zur Buchmesse in Harare tut sich München schwer mit der politischen Situation in Simbabwe

von RUTH SPIETSCHKA

Was sucht der FC Bayern München auf der größten Buchmesse Afrikas, die gestern in Harare eröffnet wurde? – Harare ist seit 1997 eine der Partnerstädte Münchens. Und als Verena Nolte, im Münchner Kulturreferat für internationale Kontakte zuständig und für die Stadt mit einem Stand auf der Messe vertreten, nach Simbabwe flog, hatte sie nicht nur Bücherkisten im Gepäck, sondern auch T-Shirts, Schals und andere Fanartikel des Fußballvereins. Sie winken als Preise in einem Quiz für jugendliche Leser, während eine Fotoausstellung über „Afrika in München“ Messebesucher anziehen soll, „weil das etwas mit ihnen selbst zu tun hat“.

Verena Nolte weiß, dass man sich nur begegnen kann, wenn man aufeinander zugeht. Bis vor wenigen Tagen war unklar, ob die Stadt München auch in diesem Jahr an der Buchmesse teilnehmen würde. Nach den fortgesetzten Menschenrechtsverletzungen durch das Regime Robert Mugabes sowie der Entlassung des Bürgermeisters und Stadtrats von Harare, die durch eine demokratisch nicht legitimierte Regierungskommission ersetzt worden waren, hatte München schon im vergangenen Jahr die offiziellen politischen Kontakte eingefroren. Geplante Reisen Münchner Stadträte wurden abgesagt, der Vorsitzende der Regierungskommission bei seinem Besuch in München nicht im Rathaus empfangen.

Diese Linie hat die Vollversammlung des Stadtrats nun mit einem einstimmigen Beschluss bestätigt. Ein Beschluss, den Hans Podiuk, der Chef der oppositionellen CSU-Fraktion, als „gelbe Karte“ für den afrikanischen Partner interpretierte, der gegebenenfalls auch die rote, sprich: der Abbruch der Städtepartnerschaft, folgen könne. Laufende Kooperationsprojekte werden einstweilen fortgeführt, neue jedoch nicht begonnen. Zu einem Zeitpunkt, da die Opposition in Simbabwe bei den Parlamentswahlen alle 19 Wahlkreise Harares gewonnen hat, will man sich in München nicht aus der schwierig gewordenen Verantwortung der Städtepartnerschaft stehlen.

Dass Städtepartnerschaften zur Bürde werden können, ist für bundesdeutsche Kommunalpolitiker eine neue Erfahrung. Dass jemals eine solche Verbindung aus politischen Gründen abgebrochen wurde, ist nicht bekannt. Städtepartnerschaften sind Synonyme für schöne Reisen und Begegnungen in entspannter Atmosphäre. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg geboren aus dem Bemühen um Versöhnung und Begegnung ehemals verfeindeter Völker, entwickelte sich die Idee mancherorts zur Sammelleidenschaft rühriger Stadtväter. Von ihr zeugen große Tafeln mit vielen bunten Wappen, die meistens an den zentralen Ein- und Ausfallstraßen der Städte aufgestellt werden und Weltoffenheit signalisieren sollen. 1997 wurden in Deutschland 6.131 solcher Kontakte gezählt; mehr als 90 Prozent davon wurden mit europäischen Kommunen geschlossen, wichtigste außereuropäische Partnerländer sind die USA und Israel, für Afrika interessieren sich dagegen die Wenigsten.

In Zeiten wirtschaftlicher Globalisierung und weltweiter Vernetzung können solche Nord-Süd-Kontakte die heute überlebt wirkende Idee der Städtepartnerschaft mit neuen Inhalten und Zielen füllen. Das Beispiel München–Harare zeigt indes, wie schwierig der Aufbau wirklich partnerschaftlicher Beziehungen ist, wenn sich diese nicht in klassischer Entwicklungshilfe erschöpfen sollen. So wichtig die Sanierung des Wasserleitungsnetzes von Harare oder das Engagement für Aids-Waisen und Straßenkinder ist – partnerschaftlicher Austausch scheint bislang noch am leichtesten auf kultureller Ebene möglich.

Auf der Buchmesse von Harare ist der Münchner Stand eine zentrale Anlaufstelle für alle, die Kontakte nach Deutschland suchen. Bibliothekare fragen immer wieder nach Kinder- und Jugendbüchern, die in Simbabwe Mangelware sind. Gemeinsame Buchprojekte lassen sich jedoch nicht realisieren: Simbabwe ist kein Land der Literatur, sondern der Musik. Umgekehrt ist afrikanische Literatur in Deutschland schwer zu vermitteln. Sachbuchprojekte wiederum scheitern an den unterschiedlichen Bedürfnissen deutscher und afrikanischer Leser – ganz zu schweigen davon, dass unsere schön ausgestatteten Bücher für die meisten Afrikaner unbezahlbar sind.

Synergieeffekte stellen sich gelegentlich ganz unerwartet ein: Verena Kraft und Kurt Petz, zwei Münchner Künstler, kamen nach Simbabwe, um dort Landschaften zu fotografieren und die Fotos dann in der afrikanischen Sonne ausbleichen zu lassen. Dabei wurden sie auf prähistorische, bis zu 18.000 Jahre alten Felsmalereien aufmerksam, die sie spontan zum Thema ihrer Arbeit machten. Ihre Fotografien wurden mit großem Erfolg sowohl in München wie in Harare gezeigt. Europäische Ausstellungsbesucher entdeckten steinzeitliche Malereien, die – anders als vergleichbare europäische Felsbilder – nicht nur Tiere, sondern auch Landschaften zeigen und vor allem erstmals den Menschen in den Mittelpunkt der Darstellung rücken. In Harare wirkte die Ausstellung identitätsstiftend: Sie zeigt, dass dieses bedeutende Erbe beiden in Simbabwe beheimateten Volksgruppen gehört, den Shona wie den Ndebele – anders als das Nationalmonument Great Simbabwe, das sich auf dem Land der Shona befindet, jener Volksgruppe, zu der auch Robert Mugabe gehört.

Eine der schönsten Felsmalereien, die Kraft und Petz seinerzeit fotografiert haben, wurde vor einiger Zeit durch einen Anschlag mutwillig zerstört. Ein Großfoto von zwei mal drei Metern, das die Münchner Künstler daraufhin für die National Gallery von Harare herstellen ließen und das für die Restaurierung dieser Malerei unerlässlich ist, wartet einstweilen in München auf den Transport nach Simbabwe, weil die 10.000 Mark dafür nicht aufzutreiben sind. So es der Münchner Stadtrat mit seinem Beschluss, begonnene Projekte weiterzuführen, tatsächlich ernst meint – hier wäre er gefordert.

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