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Beelzebub und Teufel im Benzin

Ersatzstoff MTBE für Blei in Benzin ist krebserregend und verseucht Grundwasser. Dänemark führt Abgabe ein, um den Verbrauch zu reduzieren. Die dänische Ölbranche unterstützt die Abgabe. MTBE wird auch in Deutschland eingesetzt

KOPENHAGEN taz ■ Dänisches Superbenzin soll mit einer zusätzlichen Benzinabgabe 15 Pfennig teurer pro Liter werden. An einem Gesetzentwurf mit derartiger Auswirkung feilen derzeit die dänische Umweltschutzbehörde und das Finanzministerium. Die spezielle Belastung von 98-oktanigem Benzin zielt in zwei Richtungen: Autofahrer sollen zu diesem Sprit nur dann greifen, wenn ihre Autos ihn wirklich brauchen, und die Benzinbranche soll „ermuntert“ werden, einen anderen Bleiersatzstoff als das gebräuchliche MTBE zu entwickeln.

Just dieses MTBE – Methyl-Tertiär-Buthylether, übrigens auch in Deutschland als Bleiersatz gebräuchlich – ist die Zielscheibe der neuen Umweltabgabe. Der vor einigen Jahrzehnten hoch gepriesene Ersatzstoff für Blei hat sich selbst als großes Umweltübel herausgestellt. Zuerst merkte man das in den USA, wo Raffinerien bereits in den Siebzigerjahren das verbotene Blei im Benzin mit MTBE ersetzten. Dann zeigte sich in Kalifornien, dass das MTBE Grundwasser belastet. In der Stadt Santa Monica beispielsweise wurden 70 Prozent des Trinkwassers durch MTBE verunreinigt. Die Behörden haben deshalb ein ab 2003 geltendes Totalverbot für diesen Stoff erlassen. In hohen Dosen hat sich MTBE in Tierversuchen als krebserregend erwiesen, doch bereits ein einziger Tropfen ist ausreichend, ein- bis zweitausend Liter Trinkwasser ungenießbar zu machen: Es riecht scheußlich und schmeckt so eklig, dass es einen Brechreiz auslöst. MTBE wird außerdem im Grundwasser nur langsam abgebaut. Auch in Dänemark mit seinen relativ nahe der Oberfläche liegenden Grundwasserströmen hat man das MTBE satt bekommen. Im Wasser von fünf Wasserwerken wurde im letzten Jahr MTBE nahe dem Grenzwert von 0,03 Milligramm pro Liter gemessen. Außerdem sind 102 Grundstücke MTBE-verseucht, auf denen früher Tankstellen lagen. Bei 34 von diesen lagen die Messungen über dem Grenzwert. Dänemark hat wegen seiner Landwirtschaft sowieso Probleme mit seinem Trinkwasser. Einem zusätzlichen MTBE-Problem würde man daher gerne einen Riegel vorschieben. Umso mehr, als ein Steigen der Kotzstoffzusätze im Benzin droht. War die Tendenz bislang sinkend – in im Lande verkauften Benzin waren 1990 50.000 Tonnen MTBE zugesetzt worden, 1999 nur noch 20.000 –, wenden neue EU-Bestimmungen diesen Trend nun: Ab 1. Januar dieses Jahres wurden aus Gründen der Luftreinheit neue Grenzwerte für Benzen und Aromate – welche ebenfalls den Oktangehalt erhöhen – eingeführt. Chemikalien, welche die Raffinerien nun mit höherem MTBE-Beimischungen ersetzt haben. Der Stoff ist nicht nur relativ billig, sondern puscht den Oktangehalt mit einem Oktanwert von 118 auch wirksam nach oben. Was die EU bei etwas gesunderer Luft gewonnen hat, wird über neue Grundwassergefahren offenbar wieder verloren. Schlimmer noch: Weil ab 2005 auch neue EU-Grenzwerte für 95- und 92-oktaniges Benzin gelten sollen, könnte die Branche auch für diese Normalbenzinsorten auf die Idee kommen, nicht mehr zulässige Benzen- und Aromatzusätze durch MTBE zu ersetzen. Doch glaubt man in Dänemark daran, dass die Benzinbranche recht schnell einen geeigneten Ersatzstoff ausfindig machen wird, wenn nur die Daumenschrauben erst einmal angezogen werden. Und die dänische Umweltbehörde hat mit ihren Plänen sofort Unterstützung von ganz unerwarteter Seite bekommen: von der Ölbranche. Per Thorkildsen, Direktor der Interessenvertretung des Ölbranchenverbands: „Wir begrüßen eine MTBE-Abgabe ebenso, wie wir Ende der 80er-Jahre die Abgabe auf bleihaltiges Benzin begrüßt haben. Wir haben kein Interesse daran, einen Stoff weiterhin im Benzin zu haben, der sich als so grundwassergefährdend erwiesen hat.“

Die dänische Regierung plant neben der Abgabe im Übrigen auch durch geänderte bauliche Vorschriften, dem MTBE den Weg ins Grundwasser zu erschweren: Die Lagertanks an den Tankstellen sollen besser gegen Lecks gesichert werden, beim Tanken überlaufendes Benzin will man sicherer auffangen, eine Kampagne bei AutofahrerInnen wird gestartet, auf das hochoktanige Benzin möglichst zu verzichten. Und Umweltminister Svend Auken will auch innerhalb der EU aktiv werden: Eigentlich wäre ein MTBE-Verbot die beste Lösung. Doch die kann Dänemark nicht im Alleingang durchsetzen. REINHARD WOLFF

Hinweis:Ein Tropfen MTBE reicht aus, um bis zu 2.000 Liter Wasser ungenießbar zu machen, es riecht und schmeckt eklig

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