: Frontabschnitt Uni
Nationalsozialistische Hochschulpolitik: Auch die Unis wurden von „volksfremden Elementen“ gesäubert
Die „Reinigung“ der deutschen Universität von „volksfremden“ Elementen sollte nur das Vorspiel sein, die unvermeidliche Voraussetzung für das eigentliche Ziel der Nationalsozialisten: eine neue Wissenschaft, ein anderer Professorentypus – die „völkisch-politische Universität“.
„Die neue Zeit“, so schrieb der nationalsozialistische Studentenführer Gerd Rühle 1933, „erfordert einen neuen Hochschullehrer, der mehr ist als stiller Forscher, der als Führer und Erzieher mit dem ganzen Einsatz seiner Persönlichkeit deutsche Menschen formen kann.“ NS-Hochschulpolitik sollte die Naturwissenschaften den Wirtschafts- und Rüstungsplänen dienstbar machen und aus den Geisteswissenschaften das Wesen der nationalsozialistischen „Bewegung“ rechtfertigen.
Rassisch, politisch und wissenschaftlich unerwünschte Hochschullehrer wollten die Nazis ausschalten und an ihrer Stelle „politisch zuverlässige“ Professoren, Dozenten und Assistenten berufen. Die „rechtliche“ Handhabe dazu bot das so genannte „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom April 1933, mit dem die Nazis geschickt die verbreitete Abneigung gegen das „Parteibeamtentum“ der Weimarer Jahre ausnutzten. Dabei enthielt das Gesetz nicht nur Bestimmungen gegen Beamte, deren Ernennung angeblich auf ihre kommunistische oder republikanische Gesinnung zurückging, sondern auch gegen jüdische Beamte, soweit diese nicht als Frontkämpfer am Ersten Weltkrieg teilgenommen hatten. Ohne Angabe von Gründen konnte jeder Beamte in ein anderes Amt oder den Ruhestand versetzt werden – zwecks „Vereinfachung der Verwaltung“.
In den ersten fünf Jahren seit der Machtübernahme, so eine Schätzung des damaligen Reichskulturministeriums, wurden 45 Prozent aller beamteten Stellen an den Hochschulen neu besetzt. Dabei war der Umfang der „Säuberungen“ verschieden. Am stärksten betroffen waren Berlin, Frankfurt/M., Heidelberg, Breslau, Göttingen, Freiburg, Hamburg und Köln.
Eine Minderheit professoraler Eiferer und eine stattliche Zahl studentischer Aktivisten verbündete sich mit den neuen Machthabern: Denunzierungen und Demonstrationen begleiteten die Säuberungen. Studentischer Mob störte Vorlesungen missliebiger Professoren und nutzte jedes Mittel der Verleumdung, um die verhasste bürgerliche Wissenschaft zu erledigen. Die Mehrheit der Professoren, die angesichts der instabilen Weimarer Parteiendemokratie eine Deklassierung des Geistes gefürchtet hatten, leistete keinen nennenswerten Widerstand gegen diese Herausforderung. NM
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