: Wirrwarr um Pinochet
Internet-Zeitung berichtet: Immunität des chilenischen Ex-Diktators aufgehoben
SANTIAGO epd ■ Es war ein historisches Urteil erwartet worden, und herausgekommen ist zunächst nur Verwirrung. Einzig die gewöhnlich gut informierte Internet-Zeitung El Mostrador meldete ein konkretes Ergebnis: Der Oberste Gerichtshof Chiles habe die Immunität des ehemaligen Diktators Augusto Pinochet (1973 bis 1990) aufgehoben. Elf der 20 Richter der Kammer hätten für diese Entscheidung gestimmt, neun dagegen. Damit wäre der Weg für einen Prozess gegen den Ex-Diktator frei. Doch die Richter gaben zum Teil so widersprüchliche Erklärungen ab, dass zunächst völlig unklar blieb, was genau geschehen war.
Vier Stunden lang hatte die Kammer am Dienstag darüber beraten, ob sie das Urteil eines Berufungsgerichts bestätigt, das Pinochets Immunität als Senator auf Lebenszeit Ende Mai aufgehoben hatte. Gerichtspräsident Hernán Alvarez hatte schon vor der Beratung angekündigt, er werde nur ein klares Ergebnis sofort bekannt geben. Ein knappes Ergebnis werde geheim gehalten, bis die schriftliche Urteilsbegründung fertig und von allen Richtern unterschrieben sei.
Als die Richter aus der Klausur kamen, überschlugen sich die Meldungen. Ein Gerichtssprecher gab bekannt, es sei noch nicht abgestimmt worden. Das Urteil werde für nächste Woche erwartet. Richter Guillermo Navas sagte: „Es gibt nichts.“ Sein Kollege Osvaldo Faúndez ergänzte: „Heute ist keine Entscheidung getroffen worden.“ Doch der Gerichtssekretär Carlos Meneses erklärte: „Ja, es wurde abgestimmt.“ Und Gerichtspräsident Alvarez gab zu Protokoll, man habe „eine Einigung erzielt“ und werde in dieser Woche noch einmal zusammenkommen.
Zunächst lässt sich nur festhalten, dass es noch kein rechtsgültiges Urteil gibt. Das muss erst schriftlich begründet und von allen 20 Richtern unterschrieben werden. Darin könnte der Grund für das Verwirrspiel liegen. Wenn das Abstimmungsergebnis bekannt, aber das Urteil noch nicht fertig ist, könnte die unterlegene Seite versuchen, noch Druck auszuüben. Zumal dann, wenn nur ein einziger Richter überzeugt werden muss. Glaubt man der Internet-Zeitung El Mostrador, geht es nur um diese eine Stimme.
Die Publikation gilt als zuverlässig. Sie wird von fünf angesehenen Anwälten mit besten Kontakten geleitet und hat sich in juristischen Angelegenheiten bisher noch nie getäuscht. Auch das erstinstanzliche Urteil zur Aufhebung von Pinochets Immunität veröffentlichte El Mostrador zuerst. Das Gericht gab es erst Tage später bekannt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen