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Sprachen sprechen bildet

Das Interesse an Sprachreisen wächst. Aber welche Sprache, welches Land, welcher Kurs solles sein? Ein Überblick über die Angebote von klassisch bis Farmurlaub mit Englisch in Neuseeland

von MARTIN HAGER

Der gemeine Tourist hat keinen besonders guten Ruf: „Das Traumbad in den Fluten des Meeres ist die Regel, das Bad in Sprache und Kultur der Gastländer bleibt die Ausnahme.“ So zumindest die Informationsbroschüre des „Fachverbands Deutscher Sprachreiseveranstalter“ (FDSV). Und genau deshalb gibt es sie ja, die Sprachschulen. Die Grundsatzregel der Sprachdidaktik lautet: Sprachen lernt man am besten, indem man sie spricht. Entsprechend das Grundprinzip der Sprachschulen: Lernen und sprechen soll der Schüler nur in der jeweiligen Landessprache.

Dabei ist der Begriff „Schüler“ irreführend. Tatsächlich standen laut einer Statistik des FDSV im Jahr 1999 61 Prozent Erwachsenen 39 Prozent echte „Schüler“ gegenüber. Den überwiegenden Teil machen die 25- bis 35-Jährigen aus, zumeist allein reisend, die eine Mischung aus Urlaub und Weiterbildung suchen. Dabei ist nicht unbedingt die berufliche Perspektive entscheidend – obwohl Sprachreisen als Bildungsurlaub in vielen Bundesländern anerkannt sind. Den eigenen Horizont zu erweitern ist gerade bei den Mittdreißigern häufig genannter Grund für eine Sprachreise. Im Trend liegt Spanien. Gerade die Sprachschulen in Lateinamerika verzeichnen Zuwachsraten von bis zu 60 Prozent. Während sich ein Teil der Deutschen redlich bemüht, Mallorca einzudeutschen, verbindet ein anderer den Wunsch, eine Sprache zu lernen, mit der Idee, entfernte Kulturen kennen zu lernen. Dem tragen die Veranstalter Rechnung. In Ecuador beispielsweise lässt sich ein Spanischkurs direkt im amazonischen Regenwald buchen (Alfa Sprachreisen). Die hohen Flugkosten werden durch billige Unterkunft und niedrige Kursgebühren ausgeglichen. Zum Teil gibt es den Einzelunterricht zum selben Preis, wie spanische Sprachschulen ihn für Gruppenunterricht fordern.

Obwohl Spanisch mit 15,5 Prozent der gebuchten Sprachreisen gegenüber 11,1 Prozent 1995 im Trend liegt, ist Englisch mit 70,8 Prozent weiterhin unangefochtener Spitzenreiter. Die Auswahl ist groß: „Internationale Sprach- und Studienreisen“ beispielsweise bieten neben England die Zielorte Irland, Schottland, Malta, USA, Kanada, Australien, Neuseeland und Südafrika – Neuseeland auf Wunsch inklusive Farmlehrgang (www.sprachreisen.de/kiwicowboy).

Überhaupt locken die Veranstalter gern mit Kombitickets, mit der Verbindung von Sprachkurs und landestypischer Attraktion: Sprache und Tauchen in Australien, Sprache und Tanz in Spanien oder New York (www.languagecourse.de), Sprache und Golf in England (Alfa Sprachreisen), Sprache und Küche in Frankreich und so fort.

Neben dem Eventanteil sollte der Sprachreisende in spe sich allerdings erst klar werden, wie viel und wie er lernen will. Der Standardkurs bietet meist ca. 20 Gruppenstunden pro Woche, verteilt auf 5 Tage, der Intensivkurs erhöht auf 30 Stunden, in zumeist kleineren Gruppen, und das Optimum ist sprachtechnisch gesehen der Einzelunterricht. Wer nicht weiß, wie gut er die Sprache beherrscht, die er ins Visier genommen hat, dem bietet der Veranstalter „Language und Leisure Sprachreisen“ auf seinen Internetseiten Links zu verschiedenen anerkannten Sprachselbsttests.

Den besten Kontakt zur Sprache bringt natürlich die Gastfamilie, was allerdings nicht unbedingt die billigste Variante ist. Wer lieber mehr Leute kennen lernt, kann die häufig angebotene Variante des Gemeinschaftsapartments wählen oder sich in Studentenheimen einquartieren. Wer seine Ruhe haben will, geht ins Hotel. Einen sehr guten Überblick nebst Checkliste, worauf zu achten ist, bietet der vom FDSV herausgegebene Ratgeber Sprachreisen (5 Mark). Hier wird auch das Wichtigste zu steuerlichen Absetzbarkeit der Reisen aufgelistet. Der Argwohn des Finanzamts nimmt allerdings zu: Die „Verfolgung privater Interessen“ muss „nahezu ausgeschlossen“ sein – nicht immer ganz leicht nachzuweisen.

Englisch, Spanisch, Italienisch und Französisch sind – in dieser Reihenfolge – die beliebtesten Zielsprachen der Deutschen. Der Restanteil ist mit 1,29 Prozent bei den Erwachsenen und 0,00 Prozent bei den Jugendlichen verschwindend gering (Quelle: FDSV). Der Veranstalter „gls Sprachenzentrum“ bietet dennoch für Schüler zwischen 15 und 18 Jahren ein Jahr Japan an, formuliert die Bewerbung dieses Programms allerdings derart vorsichtig, dass es nahezu einer Abschreckung gleichkommt: „Ein Schulaufenthalt in Japan stellt hohe Anforderungen an deine Aufgeschlossenheit und Anpassungsfähigkeit, bietet dafür aber unwiederbringliche Erlebnisse und Erkenntnisse.“ Wenn sie unwiederbringlich sind, stellt sich ohnehin die Frage, warum man sie erst machen soll.

Exotik bietet auch der kleine Veranstalter Beetle Alternativ Reisen: Arabisch lernen in Damaskus. Die Sprache gehört immerhin zu den 6 UNO-Sprachen und wird von 200 Millionen Menschen gesprochen. Es gibt sogar die Möglichkeit, sich bei Gastfamilien einzuquartieren, allerdings nur für Frauen; Männer müssen ins Hotel.

Wer es richtig exotisch will, sei auf das gute Beispiel der rhz Sprachschule in Zürich verwiesen. Neben ihren Sprachreisen bietet sie 120 Sprachen vor Ort an – von Muttersprachlern, bei denen es sich um sehr engagierte, aber nicht unbedingt ausgebildete Lehrer handelt. So etwas sollte in größeren Städten in Deutschland auch möglich sein. Wir empfehlen zum Zweck der Erlernung von Suaheli nicht eine Reise nach Kenia, sondern eine preiswerte Kleinanzeige auf den Lokalseiten einer überregionalen Berliner Tageszeitung.

Ausgewählte Adressen

Fachverband Deutscher Sprachreiseveranstalter, Tel.: (0 61 31) 14 38 45, www.fdsv.deEine Zusammenstellung von Hochschul-Sprachkursen in Europa – von Belgien bis Zypern – bietet der vom DAAD herausgegebene Band „Sprachen in Europa 2000“. W. Bertelsmann Verlag,410 Seiten, 29,80 DMKostenlose Prospekte mit Preisangaben schicken die Veranstalter gerne zu.www.languagecourse.de Reiner Internetanbieter, der die Möglichkeit bietet, gezielt nach Ort, Preis etc. zu suchen, und außerdem Niedrigstpreise garantiert.GLS Sprachenzentrum, Tel.: (0 30) 7680 08 90, www.gls-berlin.com.Hier kann man auch Au-Pair- und Praktikumsstellen buchen.Carpe diem Sprachreisen, Telefon (0 25 06) 8 30 30, www.carpe.de Alfa Sprachreisen: Tel.: (07 11) 6 15 53 00, alfa-sprachreisen.de Language und Leisure Sprachreisen, Tel.: (0 89) 25 25 24 00,www.LAL.deInternationale Sprach- und Studienreisen, Tel.: (0 62 21) 80 90 47,www.sprachreisen.deBeetle Alternativ Reisen, Telefon (0 30) 3 24 98 75,www.beetle-alternativ-reisen.de Aktion Bildungsinformation e. V., Telefon (07 11) 29 93 35, www.abi-ev.deDer Verein dient dem Verbraucherschutz in Bildungsfragen und überprüft u. a. Sprachreiseanbieter. Er gibt Informationsbroschüren zu diversen Sprachen heraus (Preis: 21 DM, die neueste zum Thema Englisch kostet 25 DM).

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