: Olle ARD-Kamellen
Was lange währt, wird endlich gut – die ARD feiert ihr 50-jähriges Jubiläum. Der Medienkoloss reagiert in Sachen Reformen allerdings immer eher schwerfällig. Eben öffentlich-rechtlich
von STEFFEN GRIMBERG
Die ARD hat viele Geburtstage und einen klaren Programmauftrag. 1950, als alles anfing, lautete der schlicht: Fernsehen möglich machen. Zunächst in Westdeutschland und im Probebetrieb. Ein halbes Jahrhundert später ist die „Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland“, so ihr voller Name, einer der größten Medienkonzerne der Welt.
Auch wenn die deutsche Fernsehlandschaft derzeit über die Familienzusammenführungen bei Kirch und Bertelsmann stärker in Wallung gerät: Mit fast 12 Milliarden Mark Jahresbudget und rund 22.000 Mitarbeitern ist der öffentlich-rechtliche Senderkoloss noch immer die dominierende Kraft im TV-Markt. Das ebenso öffentlich-rechtliche ZDF und die ARD-assoziierte Deutsche Welle sind dabei noch nicht einmal berücksichtigt.
Die neuen Dritten
Neben dem bis 1984 als „Deutsches Fernsehen“ firmierenden „Ersten“ senden die ARD-Anstalten außerdem acht Regionalprogramme. Diese „Dritten“ sind seit Mitte der 90er-Jahre systematisch von bildungs- und kulturorientieren Zusatzangeboten zu kleinen Vollprogrammen mit hohem Regionalanteil ausgebaut worden. Gesendet wird längst rund um die Uhr, und bis auf wenige Ausnahmen sind die „Dritten“ bundesweit im Kabel präsent. So verfügt die ARD längst über eine programmliche „Verwertungskette“, von der andere, jüngere Fernsehfamilien nur träumen können. Wobei noch gar nichts über die Beteiligungen der „Arbeitsgemeinschaft“ an öffentlich-rechtlichen Spezialangeboten gesagt wäre: Die ARD mischt beim deutsch-französischen Kulturkanal Arte genauso mit wie beim „Ereignissender“ Phoenix und im Dreiländer-Projekt 3sat.
Und natürlich machen die mittlerweile zehn ARD-Mitgliedsanstalten neben dem Fernsehen auch Radio – insgesamt 49 zumeist landesweite Hörfunkprogramme.
Bei den so Zusammengeschlossenen ist zwar umstritten, ob dieses Konglomerat individueller Landesanstalten tatsächlich als großes Ganzes zu betrachten ist. Zumindest im TV-Bereich bleibt der ARD aber schon aus Abgrenzungsgründen gegenüber dem öffentlich-rechtlichen ZDF wie der privaten Konkurrenz gar nichts anderes übrig.
„Als sich am 9. und 10. Juni 1950 im kriegszerstörten Bremen die Intendanten der damals sechs öffentlich-rechtlichen Sender der Westzonen (. . .) trafen, um die ARD zu gründen, konnte keiner von ihnen ahnen, was sich daraus entwicklen würde“, schreibt der derzeitige ARD-Vorsitzende und Südwestrundfunk-Intendant Peter Voß salbungsvoll ins jüngste ARD-Jahrbuch. In der Tat war der Auftakt nicht gerade prompt – und so kann die ARD eben mehrfach feiern: Heute darf beispielsweise der 50. Jahrestag der konstituierenden Sitzung begangen werden, der Fernsehversuchsbetrieb folgte dagegen erst am 27. November 1950 – mit mickrigen zwei Stunden pro Tag und alles andere als bundesweit. So richtig los ging es dann erst zu Weihnachten – Weihnachten 1952 wohlgemerkt, mit Besinnlichem zum Christfest am 25, Dezember.
Gründungsmitglieder der ARD waren der Bayerische Rundfunk (München), der Hessische Rundfunk (Frankfurt/Main), Radio Bremen, der Süddeutsche Rundfunk (Stuttgart), der Südwestfunk (Baden-Baden), der damalige Nordwestdeutsche Rundfunk NWDR (Hamburg/Köln) und – mit beratender Stimme – der amerikanisch kontrollierte RIAS Berlin. Der NWDR gliederte sich dann bis zum Ende des Jahrzehnts in den NDR, den WDR und den Sender Freies Berlin (SFB) auf. 1960 kam nach der Eingliederung des Saargebiets in die Bundesrepublik noch der Saarländische Rundfunk hinzu. Danach herschte verhältnismäßige Ruhe im ARD-Verbund, erst mit der Wiedervereinigung 1990 wurde es wieder spannend: Während der NDR sein Sendegebiet auf den Norden der ehemaligen DDR ausdehnte, leistete sich Brandenburg den Ostdeutschen Rundfunk ORB, und die ohnehin CDU-orientierten südlichen „neuen Länder“ schlossen sich unter massiver Hilfe aus Bayern zum Mitteldeutschen Rundfunk zusammen. 1998 zeigte sich die ARD dann zum ersten und einzigen Mal halbwegs reformfähig: Die aufgrund von besatzungstechnischen Gründen anno 1950 separaten Südwest-Anstalten SDR und SWF schlossen sich unter heftigen Reibungsverlusten zum Südwestdeutschen Rundfunk (SWR) zusammen.
Reizwort Finanzen
Bis heute führt dieser an sich lockere Zusammenschluss von unabhängig operierenden Anstalten zu Verstrickungen: Bot in den fetten Jahren vor Einführung des Privatfernsehens noch die politische Couleur der verschiedenen „Rot-“ und „Schwarzfunke“ Anlass zu heftigen Auseinandersetzungen vor allem zwischen Köln (WDR) und München (BR), heißt das Reizwort heute „Senderfinanzausgleich“. Radio Bremen, der Saarländische Rundfunk, die fusionsunwilligen Anstalten der „Hauptstadtregion“ halten sich nur dank Überweisung der größeren und soventeren ARD-Brüder und Schwestern über Wasser. Doch die Zahlungsmoral bröckelt, seitdem der in vielerlei Hinsicht modernere und leistungsorientierte MDR diesen ARD-Konsens aufgekündigt hat.
Peter Voß, bis Ende 2000 noch ARD-Vorsitzender, verkündet sowohl für seine „Hausanstalt“ SWR als auch die ARD als Ganzes weitere Einsparungen, konsequenten Personalabbau und die Auslagerung teurer Eigenproduktionen in den freien Markt. Bevor sich die ARD aber nicht zum verbindlichen Abbau ihrer „Anstaltszwerge“ durchringt, bleibt jede Reform auf halbem Wege stecken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen