: Kein lauernder Jaguar im krummen Tal
■ Der Waseberg, die einzige Bergwertung der HEW-Cyclassics, wird von den Zuschauern geliebt und den Aktiven gehasst. Dennoch waren gestern über 10.000 Pedaleure in Hamburg am Start
Prolog: Als die Fahrer aus ihren Sätteln gehen mussten, ahnten sie bereits, dass da etwas Bedrohliches auf sie wartete.
Die Lage: Geografisch gesehen trennt das „krumme Tal“ den Süllberg vom Waseberg. Und wer es erlebt hat, wenn es kräftig in diesen Höhen regnet, weiß, dass es hier manchmal auch einen Wasserfall geben kann. Gottlob gibt es das Krumdal, denn niemand – schon gar kein Radsportler – möchte sich wohl vorstellen müssen, was für ein Massiv beide Anhöhen aufeinander geschüttet ergeben würden.
Das Konzept: Amateure und Profis getrennt, aber irgendwie doch gemeinsam auf die Strecke zu schicken, ging auch bei den diesjährigen HEW-Cyclassics wieder vortrefflich auf. Über 10.000 Hobbyradler, darunter Namensgrößen wie Horst Hrubesch oder Rudolf Scharping, beteiligten sich auf verschiedenen Rundkursen über 60, 110 sowie 170 Kilometer am Velo-Treiben – ohne Parkplatzsorgen oder Angst vor einem lauernden Jaguar.
Das Rennen: Stramme Männerwaden, frisch rasiert und in winzigen Söckchen steckend. Muskelgestählte Körper in hautengen Trikots – je knalliger, desto werbewirksamer. Sehnige Arme, die ihre Maschinen lenkten. Fahrrad fahren ist gesund, so der Volksmund. Kein Wunder, dass das Rad in den vergangenen Jahren zum beliebtesten deutschen Sportgerät avancierte.
So wähnten sich die Schaulustigen insbesondere am Fuße des etwa 50 Meter hohen Wasebergs auf der sicheren Seite. „Eine strategisch günstig Stelle“, lautete die einhellige Meinung. „Hier kriegt man am meisten mit.“ Bergab oder auf flacher Straße ginge hingegen alles viel zu schnell. „Da rasen die bestimmt mit 50 Sachen und mehr vorbei“, erklärte einer mit besonders professionellem Blick.
Auch die Massen an den heimischen TV-Schirmen durften die einzige Bergwertung des Rennens, den „Grand Prix de la Montagne“, besonders wirklichkeitsnah miterleben. Um die 16 Steigungsprozente zu dokumentieren, wurden die Fahrer beim Anstieg von einem so genannten „Quatt-Mobil“ begleitet, einem Motorrad auf vier Rädern. Die darauf installierte und im Lot ausgerichtete Kamera führte den bequem sitzenden Fernsehzuschauer in eindrucksvoller Schräglage den Waseberg hinauf und vor Augen, wie die Pedaleure das hinterhältige Bergjoch zu meistern hatten.
Der Sport: Wie schon in den beiden Vorjahren kämpften die Radprofis auf den 251 Kilometern bestens vermarktet um Weltcup-Punkte. Zumindest nominell reihten sich die HEW-Cyclassics damit abermals bei den legendenumwobenen Frühjahrs-Klassikern wie Mailand – San Remo und Paris – Roubaix ein.
Epilog: Der Belgier Romans Vainsteins erkletterte sich den Titel „König der Hamburger Berge“. Vor Johan Museeuw (Mapei) und Jan Ullrich (Telekom) sicherte sich der Vini Caldirola-Fahrer die Waseberg-Wertung. Oliver Lück
Der Zieleinlauf: 1. Gabriele Missaglia; 2. Francesco Casagrande, 3. Fabio Baldato, 4. Erik Zabel.
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