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Eiswasser für den Coach

Bei der Football-Europameisterschaft im Jahn-Stadion verteidigten die deutschen Junioren den Titel gegen das russische Team. Die meisten Spieler träumen von einer Profikarriere in den USA

von THOMAS WINKLER

Auf der Uhr standen noch knapp zwei Minuten, da löste sich die Anspannung. Peter Springwald, Head Coach der deutschen Football-Junioren, und der Rest des Trainerstabs wurden von ihren 18- und 19-jährigen Schützlingen mit Eiswasser aus einem riesigen Kübel des Sponsors übergossen – so wie es im Football üblich ist, wenn eine Meisterschaft gewonnen ist.

Und zwei Minuten vor Schluss beim Stand von 19:0 für das deutsche Team gegen den Gegner aus Russland war das Finale der Junioren-Europameisterschaft im Jahn-Stadion in Prenzlauer Berg zweifellos entschieden. Allerdings sehr viel später, als vor dem Spiel erwartet worden war. Die Russen hatten sich tapfer gewehrt und das Match bis lange ins dritte Viertel offen gehalten. Tatsächlich war die 6:0-Halbzeitführung der deutschen Mannschaft sogar glücklich zustande gekommen, weil die Russen es nicht geschafft hatten, in vier Versuchen den Ball aus allernächster Nähe in die Endzone zu tragen.

Nachdem der Sieg feststand, gab sich Coach Springwald immer noch bescheiden. Sehr überrascht sei er, dass sein Team den Titel hatte verteidigen können, den es vor zwei Jahren in Düsseldorf zum ersten Mal gewonnen hatte. Niemals hätte er das erwartet. Man kann das getrost als höfliche Tiefstapelei einschätzen. Die Gastgeber waren als große Favoriten in das einwöchige Turnier gegangen und hatten diese Einschätzung eindrucksvoll bestätigt. Nach überaus einseitigen Vorrundensiegen gegen Großbritannien (53:7) und Finnland (48:6) waren die Russen der erste ernsthafte Gegner für ein Team, das nach dem Turnier auch noch den Großteil der vergebenen Auszeichnungen für die besten Spieler auf den einzelnen Positionen abräumte. Vielleicht auch deshalb, weil die Verteidigung gegen das zwar schematische, aber hoch effektive Laufspiel der Russen endlich mal Arbeit bekommen hatte. In den beiden vorherigen Spielen war sie kaum auf dem Platz gestanden.

Ausdrücklich lobte Springwald aber seinen Wide Receiver Tim Friedrich, der zum besten Passfänger der EM gewählt wurde, für „seine absolute Topleistung“. Sieben Pässe für 49 Yards hatte Friedrich insgesamt gefangen. Entscheidend aber waren zwei Fänge aus der ersten Halbzeit, „als es brenzlig war“, die den Deutschen in entscheidenden Situationen den Ballbesitz erhielten. Nach dem Spiel gab Friedrich, wenn er vor Freude nicht gerade auf und ab hüpfte, hyperventilierend zu Protokoll, man habe „gewinnen wollen“, dass die Russen „überraschend schnell“ gewesen und er mit seiner Leistung „sehr zufrieden“ sei.

Nahezu jede verfügbare Auszeichnung allerdings gewann Quarterback Dennis Zimmermann, der ihn so oft erfolgreich angespielt hatte: Er wurde zum besten Quarterback, zum MVP, zum wertvollsten Spieler, des deutschen Teams und des gesamten Turniers gewählt. Nur die Trophäe als MVP des Finals musste er an den Teamkollegen Jeffrey Amaming, einen Defensive End, abgeben.

Trotz seiner überragenden Leistung ist Zimmermann momentan auf der Suche nach einem neuen Verein, weil sich seine Berlin Bears unlängst auflösten, er aber keine Lust hat, beim Lokalkonkurrenten Adler anzuheuern. Dort spielt bereits der Kollege Friedrich. Der Prenzlberger träumt wie so viele von einer Profikarriere in der National Football League (NFL), ihrem Tochterunternehmen NFL Europe oder zumindest erst einmal von einem College-Stipendium. Er hat bereits ein Jahr in den USA verbracht und dort auf einer Highschool einen Abschluss gemacht und Football gespielt.

Eine vollkommen andere Karriere hat dagegen Jan Kessinger durchlaufen. Der Weddinger spielt erst seit sieben Monaten Football. Zum diesem Sport ist er gekommen, weil er bei einer Körpergröße von 1,83 Meter zwar 142 Kilo wiegt, aber ungewöhnlich flink auf den Beinen ist, eine für einen Offensive-Line-Spieler sehr praktische Kombination.

Sie alle wurden beobachtet von mehreren Talentspähern, die vor allem von den drei deutschen Teams der NFL Europe entsendet wurden. Einer von ihnen war Cal Murphy, Offensive Line Coach der Frankfurt Galaxy. Der zeigte sich zwar ausdrücklich „impressed“ vom allgemeinen Niveau, meinte aber auch, dass es auf den Highschools in den USA doch noch grundsätzlich schneller zuginge als im europäischen Junioren-Football. Trotzdem habe er schon einige „prospects“, also hoffnungsvolle Talente, bei verschiedenen Teams ausmachen können. „Aber was hier vor allem fehlt“, so Murphy, „ist der Wettbewerb. Noch gibt es zu wenig Konkurrenz, aber das muss wachsen.“ Das trotz des am Ende deutlichen Ergebnisses halbwegs ausgeglichene Finale war womöglich ein erster Schritt.

Immerhin war das Endspiel im Jahn-Stadion schon ein kleiner Vorgeschmack auf eine mögliche Profikarriere. Die NFL Europe hatte die EM organisiert und zwei Drittel des 300.000-Mark-Etats übernommen, der Rest kam vom Berliner Senat. Die Zuschauer, in einem Block zusammengepfercht und mit Papptröten der Berliner Zeitung ausgestattet, veranstalteten einen ziemlichen Lärm. Zwar gab es kein Feuerwerk wie bei jedem Touchdown von Berlin Thunder, aber immerhin denselben Stadionsprecher, dieselben Cheerleader und dieselbe knallende Musik, die das Publikum bei Laune halten soll. Die, die gekommen waren, schienen das aber gar nicht nötig zu haben: Sie schienen mit den gezeigten sportlichen Leistungen zufriedener zu sein als die, die sonst die Darbietungen der Profis goutieren.

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