: Coole Wendehälse auf dem Prenzlberg
taz-Serie „Zwischenzeiten“, Teil 3: Auf dem Pfefferberg in Prenzlauer Berg ist nichts mehr wie es war. Dabei galt das Ostberliner Projekt lange Zeit als eine sehr erfolgreiche Synthese von Off-Kultur und sozialem Engagement
von TINA VEIHELMANN
Mutti surft im World Wide Web und landet plötzlich in Prenzlauer Berg auf der „Pfefferberg“-Homepage. Eine richtige Entdeckungsreise ist das, und ein aufschlussreicher Einblick in die Geschichte des Ortes. Von einem digitalen Videoclip zum anderen kann man sich durchs ganze Pfefferberggelände klicken. „Vati, schau mal“, ruft sie. „Das ist ja unser Sohn. Scheint ganz schön einen im Tee zu haben.“ Mutti sieht, ganz virtuell, Leute in einem Biergarten sitzen und ihre Krüge heben – hinter ihnen flimmert auf einer Stahlkonstruktion ein riesiger Videoscreen und taucht alles in ein bläuliches Licht.
So oder so ähnlich soll die Zukunft auf dem Pfefferberg aussehen. Jedenfalls nach der Vorstellung der Pfefferwerk Entwicklungs GmbH. Ein halbes Jahr nach dem Kauf der Immobilie wurde nun ein erstes offizielles Konzept zur Sanierung und Nutzung vorgelegt.
„Der Pfefferberg soll zu einem internationalen Kultur-und Medienstandort werden“, sagt Petra Harms, die Geschäftsführerin der Entwicklungsgesellschaft. Das hieße, dass neue Mieter auf dem Brauereigelände einziehen würden. Laut Konzept wird dabei an etablierte Clubs aus Berlin, Köln und New York gedacht. Renommierte Galerien sollen ein finanzkräftiges Publikum anziehen. Gastronomie und Erholungseinrichtungen wie ein japanisches Bad dürfen nicht fehlen. Das Lieblingskind der Projektentwicklung aber heißt „Neue Medien“, zum Beispel Medien-Design, Softwareentwicklung und ein Tele-Business-Point. Dazu passend gehören zur Zukunftsvision der Planer so genannte „Webcells“, transportable Computerarbeitsplätze mit einer Art Kinderwagenverdeck gegen Wind und Wetter. Und nicht zuletzt sollen wie in Big Brother Videokameras das Geschehen auf dem Gelände filmen, um es als virtuellen Raum ins Internet zu stellen.
Auch architektonisch gibt man sich experimentierfreudig. Quer durch das Gelände soll eine Röhre auf Stelzen gelegt werden – obwohl der Bezirk Prenzlauer Berg bei der Ausschreibung des Grundstücks nahe gelegt hat, auf Neubebauungen zu verzichten. Die Außenwand der Röhre stellt man sich als „Screen“ für das laufende Kulturprogramm vor.
Die Gebäude, die heute den Biergarten zur Rückseite hin abschließen, sollen dafür abgerissen werden. Damit würde aus dem Garten und den drei dahinter liegenden Höfen ein einziges großes Areal entstehen. Die Betreiber erhoffen sich so, die Räume in den bisher abgelegenen hinteren Hoflagen besser vermieten zu können. Den Charme der verwinkelten Höfe gäbe man damit preis.
Aber ganz so einfach sind die Tabula-rasa-Phantasien nicht umzusetzen. Die beiden Häuser, die man abreißen will, gehören ihrer Substanz nach zu den äl- testen auf dem Gelände und stehen unter Denkmalschutz. Außerdem wendet das Denkmalschutzamt ein, dass der Biergarten und die dahinter liegenden Höfe einen ganz unterschiedlichen Charakter haben und daher eine bauliche Trennung brauchen. Auf der einen Seite gibt es Putzfassaden und eine Gartenanlage, auf der anderen Industriehöfe mit Klinkerbauten.
Mit einem Abbruch der Gebäude ergäbe sich auch noch ein weiteres Problem. Bislang bilden die beiden Häuser einen Schallschutz, der das Wohngebiet dahinter vom Lärm der Veranstaltungen abschirmt. Diese Dämmung wäre dann nicht mehr gegeben, meint das Umweltamt.
Auch über die Nutzungsvorschläge ist man sich nicht einig. Der Bezirk hat beim Verkauf vorgegeben, dass mindestens 40 Prozent der Fläche kleinem und mittlerem produzierendem Gewerbe vorbehalten bleibt. Mindestens 30 Prozent sollen für ein soziokulturelles Zentrum mit Bezug zur kommunalen Infrastruktur bereitgestellt werden.
Schließlich ist Pfefferwerk selbst in seiner Gründungszeit mit dem Ziel angetreten, die alte Brauerei für lokal orientierte soziale und kulturelle Projekte herzurichten. „Die heutigen Pläne klingen, als sollte der Pfefferberg zum Entertainmentcenter werden“, kritisiert die Baustadträtin Dorothee Dubrau (Bündnis 90/Grüne).
Von sozialen Ideen ist tatsächlich nicht viel geblieben. Im neuen Konzept ist gerade noch von einer Kindertagesstätte die Rede, von Ausbildungsangeboten im Medienbereich – und von einem „Gesellschaftslabor“ für aktive Nachbarschaft. Ein Einfall, der bei der aktiven Nachbarschaft im angrenzenden Wohngebiet Rätselraten auslöste: „Ob man uns als eine Art Laborratten ansieht?“, fragten sich Anwohner.
Petra Harms von Pfefferwerk meint, man brauche auf dem Gelände ohnehin kaum mehr soziale Einrichtungen. Der Bedarf im Wohngebiet sei durch die Angebote in der Umgebung gedeckt. Aber auch kleinere, weniger kommerzielle Kulturprojekte werden es bei einer vorläufig errechneten Nettokaltmiete von etwa 19 Mark pro Quadratmeter schwer haben.
Was aber den Anliegern wirklich Sorgen bereitet, ist der Besucherandrang, mit dem zu rechnen ist. Sollte die Idee des großen offenen Innenhofs realisiert werden, würden die Gäste zudem stärker als bisher das Tor zu Christinenstraße und Teutoburger Platz frequentieren. „Noch ist der Platz einer der wenigen Plätze in Prenzlauer Berg, die funktionieren“, sagt eine Anwohnerin. „Hier kommen Nachbarn ins Gespräch und die Platzalkis reparieren die Sprinkleranlage, wenn sie kaputt ist.“ Sie befürchtet, dass diese gewachsene Struktur zerstört wird, wenn ein Publikumsverkehr wie um die Hackeschen Höfe entsteht.
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