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Nie mehr Schulden

Das Eiszeit-Kino richtet eine Benefizveranstaltung aus für Wenzel Storch und seinen neuen Film „Coconut Dream“

Manchmal muss man es einfach offen zugeben, wenn man nicht mit der gewohnten Sorgfalt recherchieren konnte. Aber ausgerechnet von dem, um den es heute Abend gehen soll, war auf die Schnelle kein Statement zu kriegen. Denn seit Wenzel Storch sich für seinen neuen Film „Coconut Dream“ in sechsstelliger Höhe verschuldet hat und ihm die Gläubiger im Nacken sitzen, geht er lieber nicht mehr ans Telefon.

Es könnte ja das Kopierwerk sein und ihm drohen, schlimme Dinge mit der Nullkopie anzustellen, wenn er nicht bald mit 20.000 Mark rüberrückt, um sie auszulösen. Oder die Spedition, in deren Halle am Hildesheimer Hafen er in dreijähriger akribischer Kleinarbeit 20 Miniatur-Filmsets aufgebaut hat, und die nun mit unerbittlicher Vermieterattitüde darauf pocht, dass der Raum endlich vereinbarungsgemäß besenrein übergeben wird – sonst Planierraupe!

Zum Glück hat Wenzel Storch wenigstens mit den Leuten vom Eiszeit-Kino gesprochen, die kurzerhand beschlossen, ihren zweiten Filmabend im Rahmen des Festivals Z 2000 in der Akademie der Künste zur Benefizveranstaltung für Storch zu erheben. Was passt. Schließlich will man mit dem Abend „Outside: Home Movies & Filmclubrauschen“ all jenen ein Denkmal setzen, „die in unerschütterlicher Liebe zum Zelluloid ihre Jugend verschwenden“.

Wenzel Storch gehört ganz sicher zu dieser Spezies, und das nicht nur, weil er mit 38, wie ein Kollege nach seinem Drehbesuch in der niedersächsischen Provinz ehrlich erschüttert berichtete, bereits ergraut ist. No- torischer Optimist oder hoffnungsloser Traumtänzer? Unschuldiger Filmspinner oder Agent provocateur? – Eines ist der „Orson Welles aus Hildesheim“ auf jeden Fall, seit er 1989 in seinem antiklerikalen Nonsens-Epos „Der Glanz dieser Tage“ einen Popeltransfer zum heiligen Stuhl mit Kasperlepuppen inszenierte: der Schmalfilm-König von Deutschland.

1992, lange bevor Guildo Horn und Dieter Thomas Kuhn das Seventies-Revival zur Masche erhoben, schuf er mit „Sommer der Liebe“ die ultimative Hippies-Hommage: eine quietschbunte Burleske um heiße Petting-Feten, schmierige 2CV-Fahrer, tote Tramperinnen und giftblaue Popwürste, die von Hans Paetsch, der Märchenstimme unserer Kindheit, mit versponnenem Ernst erzählt wird, und die immerhin 30.000 Zuschauer anlockte. Was Robert De Niro für Martin Scorsese, ist für Storch sein Leib-und-Magen-Darsteller Jürgen Höhne, ein frühpensionierter, sächselnder Brummi-Fahrer, der sich wie ein wilder Stier durch Storchs Filme pflügt und in „Sommer der Liebe“ eine unvergessliche Conny-Kramer-Inkarnation abgab.

Natürlich war auch Jürgen Höhne wieder mit von der Partie, als der Super-8-Maniac mit „Coconut Dream“ nun seinen ersten 35mm-Film runterkurbelte, genau wie zahlreiche Hildesheimer Freunde und Jörg Buttgereit als Darsteller und Special-Effects-Wizard. Höhne spielt Gustav, den Kapitän eines Unterseebootes, das aus der Verbindung einer Weinbergschnecke mit einem Vergnügungsdampfer entstanden ist, und zu dessen Besatzung neben dem Skipper und seinen Kindern noch eine Eule, eine Gottesanbeterin und ein honigsüchtiger Bär gehören.

Wenn Wenzel Storch nicht bald und schnell geholfen wird, wird das geneigte Kinopublikum vielleicht nie miterleben können, wie Gustav den bösen Inseldiktator König Knuffi stürzt. Darum: Hingehen! ANETTE KILZER

Heute, 20 Uhr, Akademie der Künste, Hanseatenweg 10

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