: Autonome Saiten
Gitarrist Pierre Pouget braucht keine Effektgeräte – aber die Nähe zum Publikum ■ Von Sven Tietgen
Der Mann trat schon im Fools garden auf, als der Laden noch in der Bornstraße beheimatet war. Das ist fast zwanzig Jahre her, und wenn Pierre Pouget heute Abend in der Lerchenstraße seine Gitarren bearbeitet, wird das Publikum ganz neue Saiten kennen lernen. Denn der Franzose verspricht, mit seinem Instrument neue Sounddimensionen zu erschließen.
„Aus der Gitarre hole ich allein durch verschiedene Fingertechniken viele Klänge heraus: Ich kann eine Saite am Schalloch oder an anderen Stellen anschlagen, ich kann sie beim Slap hoch ziehen, mit Fingernägeln oder -kuppen spielen. Das Instrument ist gleichzeitig perkussiv und melodiös“, erläutert Pierre Pouget. „Im vergangenen Jahr hielt ich mich mehrere Monate in Südamerika auf, und in dieser Zeit habe ich herausgefunden, wie man die Gitarre so spielt, dass sie wie eine Sitar klingt“, fügt er hinzu.
Viel Zeit hat der 45-jährige Musiker damit verbracht, die zahlreichen Klangmöglichkeiten seines Instruments zu erforschen. Herausgekommen ist ein Konzertprogramm, mit dem er das Publikum zu einer musikalischen Reise in Länder einlädt, in den Gitarren oder gitarrenähnliche Instrumente fester Bestandteil der Kultur sind. „Für ein Sambastück greife ich in die Saiten und trommle dazu auf dem Korpus; bei einem anderen Stück arbeite ich mit einem Schlagzeugbesen, spiele die Basssaiten, und natürlich gibt es auch Akkorde“, erzählt er, als sei das selbstverständlich.
Die Hörgewohnheiten seiner Eltern haben in nicht unerheblichem Maß dazu beigetragen, dass Pierre Pouget sich inzwischen als „World-Gitarrist“ begreift: „Als Kind hörte ich zuhause viel Ethnomusik. Meine Eltern mochten indische Ragas ebenso wie arabische Musik, dazu Mozart und den gerade aufgekommenen Rock'n'Roll“, sagt er.
Sämtliche Stücke seines Repertoires hat der Gitarrist übrigens selbst komponiert. „Ein Großteil der Gitarrenliteratur stammt von Leuten, die selbst nicht Gitarre gespielt und deshalb das differenzierte Klangspektrum des Instruments nicht ausgenutzt haben“, erklärt Pierre Pouget.
Der Mann lebt von seinem Instrument und für es. Aufgewachsen in Paris, begann er schon im Alter von sieben Jahren, Gitarrenunterricht zu nehmen – insgesamt zehn Jahre lang. Nach der Schule bestand er die Aufnahmeprüfung der Schola Cantorum. An der Pariser Musikhochschule, in der auch Claude Debussy, Erik Satie und Quincy Jones eingeschrieben waren, studierte Pouget bei Alexandre Lagoya Komposition, Kontrapunkt und klassische Gitarre.
Nach dem Studium ging Pierre Pouget zunächst nach Deutschland. In Bremen arbeitete er als Komponist eine Spielzeit lang mit dem Regisseur George Tabori im Theater am Goetheplatz zusammen. Danach schrieb er Musiken für das Tanztheater von Pina Bausch in Wuppertal, für das Kabarett Die Wühlmäuse in Berlin und trat mit eigenen Solo-Programmen in diversen Clubs und Kleinkunstbühnen auf. Anfang der achtziger Jahre besaß Pouget eine Zeitlang ein eigenes Studio und experimentierte ein bisschen mit den gerade aufgekommenen Synthesizern herum – um dann doch wieder zur Gitarre zurückzukehren.
Nach sieben Jahren Deutschland zog es ihn wieder in seine Pariser Heimat. Dort schlug sich Pouget mit einigen Auftragskompositionen durch, bis er vor drei Jahren mit seinem neuen Programm „Guitarre von allen Saiten“ eine Tournee durch die Clubs begann. Warum nicht in den Konzertsälen? „Bei diesen klassischen Konzertsälen ist alles so vorprogrammiert, bis auf den Millimeter genau, da gibt es keine Überraschungen. Ich spiele viel lieber in Kneipen und kleinen Läden, da bin ich viel näher am Publikum, mit dem ich mich unterhalten kann“, sagt er überzeugt. Und eine Agentur, die für ihn die Auftritte organisiert, will er auf keinen Fall: „Ich mache gern alles allein. Ich möchte meine Entscheidungsfreiheit behalten, das hat viel mit Autonomie zu tun“.
8. – 10. August, 20 Uhr, Fools Garden, Lerchenstr. 113
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