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Mogelnde Lehrer

Bei der Eignungsprüfung für Italiens Schuldienst geht es nicht mit rechten Dingen zu. Staatsanwälte ermitteln

ROM taz ■ „Nein, die Bluse will ich nicht. Ich hätt' lieber ein Paar Ohrringe. Die kosten so 200.000 Lire.“ Einen wahren Geschenkbasar organisierte Annamaria P. in dutzenden Telefongesprächen. Die Anlässe waren allerdings nicht Geburts- oder Namenstage, sondern die Eignungsprüfungen für den Schuldienst, denen sich in den letzten Monaten tausende junge Frauen und Männer in Italien stellten. Blusen, Perlenketten und Kaschmirpullover – das war die Währung, in der sich Annamaria P. und ihre Kolleginnen aus dem Prüfungsausschuss für die Provinz Rom bezahlen ließen, um den ihnen „empfohlenen“ Kandidaten über die Hürden des Auswahlverfahrens zu helfen.

Was in Rom und in Latina als Provinzposse begann, weitet sich in diesen Tagen zum landesweiten Skandal um die italienische Schule aus. Überall ermitteln Staatsanwälte. Ihr Verdacht: Ausgerechnet die angehenden Lehrer bedienten sich unfeiner Methoden, pfuschten, mogelten und schmierten, um an den begehrten Job zu kommen. Ausgelöst wurden die Ermittlungen durch die Beschwerden einiger Kandidatinnen, denen nicht einleuchten wollte, warum sie trotz perfekter Vorbereitung durchgefallen waren.

Formal war zwar im Auswahlverfahren alles dafür getan, um persönliche Einflussnahmen auszuschalten: Die schriftlichen Prüfungen erfolgten anonymisiert, beim mündlichen Test wurden die Prüflinge einem der Ausschüsse zugelost. Nur die besten der 700.000 Kandidaten, die sich um die 70.000 zu besetzenden Stellen bewarben, würden es schaffen – so glaubte man im Unterrichtsministerium.

Doch als zwei junge Frauen in Rom nach dem Scheitern im schriftlichen Examen Einsicht verlangten, stellten sie überrascht fest, dass in ihren Umschlägen die Aufsätze vertauscht waren. Ihre in der Tat gelungenen Ausarbeitungen waren zwei „empfohlenen“ Kandidaten zugeordnet worden. In der Folge entdeckten die Carabinieri eine ganze Palette von Tricks, mit der die angeblich wasserdichte Objektivität der Prüfung umgangen wurde. Da schrieben die Kandidaten sinnlose Kürzel in ihren Aufsatz, da nahmen sie Streichungen in einer vereinbarten Zeile vor oder knickten ein doppeltes Eselsohr in die letzte Seite. Und da wurden die Auslosungen fürs mündliche Examen ohne Zeugen vorgenommen – prompt fand sich der Kandidat vor einem „freundlich gesinnten“ Ausschuss.

Reihenweise ergingen jetzt gegen Lehrer genauso wie gegen Funktionäre der Schulaufsicht Haftbefehle. In Latina erwischte es den Rektor einer Oberschule, der nicht nur dem Prüfungsausschuss vorstand, sondern zugleich auch privat einen Vorbereitungskurs organisiert hatte. 6.000 Mark mussten die Teilnehmer zahlen, weniger um die Prüfung vorzubereiten als um sich die Gefälligkeit des Prüfers zu erwerben, in dessen Schließfach die Polizei 300.000 Mark sicherstellte. Trotzdem gab es nicht immer die Bestnote. Auf den Vorhalt eines Kollegen, warum er eine zahlende Kandidatin in Englisch nicht noch höher bewertet hatte, brummelte der Prüfer: „Von Englisch weiß die doch nicht die Bohne!“

Doch auch die verdächtigen Kandidaten werden jetzt ihre Ernennungsurkunde erhalten – zusammen mit der vorläufigen Suspendierung vom Dienst. Italiens Schulen können auf die 70.000 neuen Lehrer nicht verzichten; eine Annullierung des Auswahlverfahrens kommt deshalb für Unterrichtsminister Tullio De Mauro nicht in Frage. Da geht er lieber das Risiko ein, so manchen Lehrer ins Klassenzimmer zu schicken, bei dem die Schüler noch was lernen können. Vielleicht nicht in Englisch, dafür aber in findigem Mogeln.

MICHAEL BRAUN

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