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Nur ein Weg: Zwangspfand für Einweg

Eine geplante Herstellerabgabe für Einweggetränkeverpackungen ist am Widerstand der Wirtschaftsverbände gescheitert

BERLIN taz ■ Wenn es um Getränkeverpackungen geht, gibt es Streit in der Branche. Vor allem die mittelständischen Unternehmen setzen auf Mehrweg, nicht zuletzt, weil sie sich mehrere unterschiedliche Abfüllsysteme nicht leisten können und überwiegend regional agieren. Die großen Getränkekonzerne dagegen verdienen auch am Geschäft mit den Einwegdosen und -flaschen. Sie bekämpfen jede Intervention zu Lasten ihrer Wegwerfprodukte.

Am 13. Juni aber hatte Umweltstaatssekretär Rainer Baake alle an einen Tisch gebracht: Handel, Umweltschützer, Getränke- wie Verpackungsindustrie. Sie sollten einer Abgabe zustimmen, die alle Hersteller auf Einweggetränkeverpackungen zahlen sollten. So hätte das Zwangspfand umgangen werden können, das für das nächste Jahr droht, weil der Anteil der Mehrwegverpackungen auf unter 72 Prozent gefallen ist. Die Verpackungsverordnung sieht für diesen Fall ein Zwangspfand von 50 Pfennig pro Getränk vor.

Die Abgabe hätte dem Handel die Investition in zahlreiche Pfandautomaten erspart und in jedem Fall einen Lenkungseffekt gehabt, weil sie Einweg für den Kunden teurer macht. Doch die Dachverbände der Wirtschaft, der Bundesverband der Industrie und der Industrie- und Handelstag, verweigerten ihre Zustimmung. Ihnen ist jede Umweltabgabe ein Gräuel, sie brachten auch den Handel auf Linie. „Die Abgabe ist tot“, erklärte Umweltminister Jürgen Trittin gestern in Berlin. Verbände wie die Genossenschaft Deutscher Brunnen (GDB) tobten. „Die Antihaltung kam aus ganz unbeteiligten Verbänden – denen ging es ums Prinzip“, schimpft GDB-Sprecher Markus Wolff.

Nun wird es also aller Voraussicht nach zu einem Pfand auch auf Einwegflaschen kommen. Entweder auf alle Einweggebinde, falls sich die Bundesregierung im Bundesrat durchsetzt. Oder nur auf Bier und Mineralwasser, falls die alte Verordnung aus der Ägide von CDU-Umweltminister Klaus Töpfer greift. Denn alle Branchenkenner erwarten, dass auch die noch laufende Nacherhebung wieder einen Anteil der Mehrwegprodukte unter der Quote von 72 Prozent feststellen wird. Zum Jahreswechsel wird die Erhebung fertig sein. Im nächsten Sommer käme automatisch das Pfand.

Das hätte Vor- wie Nachteile. Für den Verbraucher wäre viel schwerer zu unterscheiden, welche Verpackung umweltfreundlich ist und welche nicht, da ja auf alle Arten von Verpackung plötzlich Pfand erhoben würde. Käme Trittin mit seinem Plan nicht durch, gäbe es zudem Pfand auf Bier-, nicht aber auf Cola-Dosen. Schwer nachvollziehbar. Andererseits verhindert das Zwangspfand, dass so viele weggeworfene Dosen Wälder, Parks und Gehwege verdrecken. Und der Verbraucher würde ein Pfand, anders als eine Abgabe, zurückerhalten. Immerhin zwei Drittel der Deutschen finden laut einer Emnid-Umfrage ein Zwangspfand gut.

Der BDI möchte am liebsten auch ein Pfand verhindern und die Verpackungsverordnung abschaffen. „Einweg zieht ökologisch zunehmend gleich mit Mehrweg“, erklärte gestern BDI-Chef Hans-Olaf Henkel. Und demonstrierte damit einmal mehr, dass er beileibe nicht für die ganze Wirtschaft spricht. Die Privatbrauereien und die Mineralbrunnen sind auf Maßnahmen gegen Einweg angewiesen. „Mehrweg ist der Garant für die regionalen Strukturen“, sagt GDB-Chef Wolff. MATTHIAS URBACH

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