piwik no script img

Liebe ohne Papiere

Seit neun Monaten wartet Cornelia Tressel darauf, dass ihr Mann ein Visum von der Deutschen Botschaft in Ghana erhält. Die gilt als wenig engagiert

von BERT SCHULZ

Eigentlich ist das, was Cornelia Tressel erlebte, der Stoff für eine perfekte Liebesgeschichte. Vor drei Jahren lernte sie Maruf Awudu kennen und verliebte sich in ihn. Kurz darauf wird die Berlinerin schwanger, die beiden wollen heiraten. Das Happy End scheint nahe, doch dann kippt die Geschichte. Denn ihr Verlobter lebt illegal in Deutschland. Das Berliner Kammergericht verweigert die Hochzeit: Die Identität des des Bräutigams sei nicht geklärt.

Hintergrund sind zwei falsche Namen, die der Ghanaer während seines ersten Aufenthalts in Deutschland als Asylbewerber angegeben hatte – laut Cornelia Tressel aus Angst vor einer Abschiebung. Es nützte damals nichts: Maruf Awudu wurde 1991 nach Ghana zurückgeschickt.

Mit Klagen bis vor das Oberverwaltungsgericht kann die erneute Abschiebung beim zweiten Aufenthalt in Deutschland hinausgezögert werden. Doch im November 1999, ein Jahr nach der Geburt von Tochter Jamila, entscheidet sich Awudu, allein nach Ghana zurückzukehren, um sich von dort um die Aufenthaltsgenehmigung zu kümmern. Denn in den Wochen zuvor war die Kleinfamilie ständig auf der Flucht vor der Polizei.

Unfreiwillig allein

Bei der Deutschen Botschaft in Ghana beantragte Awudu sofort die Wiedereinreise zwecks Familienzusammenführung, berichtet Tressel. Seitdem warten sie und die heute fast zweijährige Jamila auf ihn. Die Botschaft in Accra teilte mit, dass die Identität Awudus nicht festgestellt sei – als Grund wurden die falschen Namen genannt, die Awudu vor fast zehn Jahren verwandte.

Ein „Vertrauensanwalt“ der Deutschen Botschaft in Ghana soll nun Klarheit schaffen. Kostenpunkt: 1.500 Mark im Voraus. Die musste sich Tressel leihen. Denn die unfreiwillig allein erziehende Mutter hat unter anderem wegen der Anwaltskosten über 7.000 Mark Schulden. Zur Tilgung zwackt sie monatlich 50 Mark von ihre Sozialhilfe ab.

Maruf Awudus Situation ist symptomatisch für viele Menschen aus „Schwarzafrika“, die als Asylbewerber in Deutschland abgelehnt wurden, aber hier ihr Herz verloren. Auch die frühere Verwendung eines falschen Namens „kommt leider sehr häufig vor“, berichtet Marian Gottbrath, Beraterin beim Berliner Verband binationaler Partnerschaften. Die lange Bearbeitungszeit für Visa, insbesondere bei Anträgen aus Ghana und Liberia, sei jedoch auch in diesem Fall nicht gerechtfertigt. „Es fehlt jegliche Einzelfallbetrachtung“, bemängelt Gottbarth. Die Schreiben der Botschaften enthielten erkennbar Standardformulierungen.

Jährlich 600 Visa zum Zweck der Familienzusammenführung erteilen die deutschen Vertretungen in Ghana und Lagos laut Auswärtigem Amt – über Ablehnungen wird keine Statistik geführt. Im Herbst 1999 veränderte das Amt die Richtlinien für die Auslandsvertretungen, um die Familienzusammenführung „transparenter und leichter zu gestalten“, wie ein Sprecher erklärt. Trotzdem sind Fälle wie der von Awudu „immer noch relativ häufig“, weiß Bernd Knopf, Sprecher der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung. Auch Marian Gottbarth hat keine Auswirkungen der neuen Richtlinien erkennen können. Einziger Unterschied zum früher CDU-geleiteten Auswärtigen Amt sei, dass unter grüner Leitung „mehr Versprechungen gemacht werden“, so Gottbrath.

Begründetes Misstrauen

Einige afrikanische Staaten, darunter Ghana und Nigeria, gelten als besonders problematisch. Erstens, so der Sprecher der Ausländerbeauftragten, weil die dortige Verwaltung nicht dem „preußisch-deutschen Ideal“ entspreche, viele gefälschte Urkunden existierten und auch echten Urkunden etwa aufgrund von Bestechungen nicht immer zu trauen sei. Das dadurch bis zu einem gewissen Grade gerechtfertigte Misstrauen führe häufig zu langwierigen Überprüfungen – in einigen Fällen sogar dazu, „dass eine Familienzusammenführung nicht realisiert wird“. Zwischen den beiden Rechtsgütern Einreisesperre und Familienschutz müsse jedoch abgewogen werden, fordert Knopf: „Mehr Flexibilität bei der Erteilung dieser Visa wäre wünschenswert“.

Als Problemländer gelten diese Staaten aber auch wegen der dortigen deutschen Vertretungen. Besonders die Botschaft in Accra gilt unter Rechtsanwälten und bei Beratungsstellen als wenig engagiert. „Ich habe den Eindruck, dass Visaverfahren von den Konsulaten häufig verschleppt werden – gerade bei Ghana fällt das auf“, meint auch Barbara John, Ausländerbeauftragte des Berliner Senats.

Auch Cornelia Tressel sammelte schlechte Erfahrungen mit der Botschaft. Die Unterlagen ihres Verlobten für die geplante Heirat in Deutschland mussten dort beglaubigt werden. „Fast ein Jahr dauerte das. Einmal schrieb die Botschaft sogar, dass die Papiere nicht mehr auffindbar seien“, berichtet sie empört. Erst nach einem Protestbrief ihres Anwalts wurden sie „wieder gefunden“.

„Uns ist bekannt, und wir bedauern dies, dass die personelle und materielle Ausstattung einiger Auslandsvertretungen, darunter jene in Accra, nicht befriedigend ist“, erklärt ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Man versuche, diesem Missstand „sukzessive“ abzuhelfen. Geplant sei etwa eine direkte Computerleitung nach Deutschland, um die Visaerteilung zu beschleunigen. Wann sie kommt, bleibt offen. Das, so der Sprecher, sei „eine Frage der finanziellen Möglichkeiten“.

Ausreise statt Einreise

Verheiratet sind Cornelia Tressel und Maruf Awudu inzwischen. Die Ehe wurde bei einem Besuch im März vor einem Standesamt in Ghana geschlossen – und von der Deutschen Botschaft ohne Probleme anerkannt. Der Besuch der beiden in der deutschen Vertretung hat das Visaverfahren jedoch nicht beschleunigt – genauso wenig wie Briefe an den Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Gerd Poppe, und den Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Ludger Volmer (beide Bündnis 90/Grüne). Falls ihr Mann bis November von Deutschland keine Einreisegenehmigung bekommt, will Cornelia Tressel mit Tochter nach Ghana fliegen. „Dann warten wir dort.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen