die stimme der kritik: Betr.: Nur das „i“ rettet uns
Tricks und Finten
Die Bundesliga beginnt heute, und Bayern wird Meister. War sonst noch was? Fast hätten wir das Wichtigste vergessen: Wir haben keine Helden mehr. Wir sind ein Volk von Fußballversagern. Wir brauchen einen Neuanfang, und alle, alle müssen mitmachen. Vor allemder Strohrum schlürfende Reporter, die sensible Nahtstelle zwischen Spieler und Zuschauer, der große Vermittler – er ist gefordert.
Wir wollen den Mann am Reporterplatz an dieser Stelle mit einer kleinen Handreichung für die Saison wappnen. Sagen wir es ganz direkt. Was wir nie wieder hören wollen, ist dieses: „Mehr über die Außen gehen!“ Im teutonischen Hirnlappen hat sich in einer Art geistiger Stenose unauslöschlich die Vorstellung festgebissen, dass Tore nur dann erzielt werden, wenn Außenstürmer die Linie lang wetzen und im Akkord Bananenflanken schlagen, die von hrubeschartigen Bulldozern eingedrückt werden. Die EM hat gezeigt: Die Banane ist faul, mehlig und stinkt, jeder kennt Bananen, aber wo sind Mangos, Äpfel und Birnen?
Wir müssen auch nicht aggressiver in die Zweikämpfe gehen, nach neuen Leitwölfen suchen oder über den Kampf zu irgendwas finden. Nein, wir müssen tricksen, dribbeln, fintisieren. Wir müssen spielen.
Nur das kleine, elegante „i“ kann den deutschen Fußball retten. „i“ wie bei Figo oder Zinedine Zidane. Alle Umlaute à la gesunde Härte, kämpfen und grätschen machen unser Spiel kaputt. Ebenso gefährlich sind die Diphtonge: mehr laufen, über außen, draufhaun etc. Es kommt in dieser Saison ganz auf die Vokalwahl an: Siiege und eine neue Fußball-Liiebe sind nur mit liistiigen, iinspiiriierten Spiielern, mit Spiielwiitz, Driibbliings und viel Riisiiko zu erzielen. Da macht das kiibiitzen dann auch wiieder riichtig Spaß.
In diesim Sinn: Ini giti Fißbillsisin, vieli Tiri ind schini Spieli winscht
MINFRIED KRIENIR
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