: Erst mal den Arsch lüften
Der Cottbuser Trainer Eduard Geyer befördert mit markigen Sprüchen ein autoritäres Klima im Fußballklub und in der Stadt. Von den Medien fühlt er sich „angeglotzt“
aus Cottbus MARKUS VÖLKER
Früher war das anders. Zum Vormittagstraining kam vielleicht mal ein Reporter von der Lausitzer Rundschau oder von der Märkischen Oderzeitung. Seit der Fußballklub FC Energie Cottbus in die Erste Bundesliga aufgestiegen ist, will auch das dänische Fernsehen wissen, was in der Kleinstadt läuft. Seit halb neun wartet ein Team auf das Eintreffen der Spieler. Man filmt ein paar Szenen vor dem Stadion der Freundschaft. Wie jemand einparkt und gegen einen Poller fährt. Wie ein Arbeiter Fugen verschmiert zwischen den Stehplätzen. Wie der Sprenkler zischelt auf dem Rasen, unter dem die neue Rasenheizung liegt. Und die Schautafel wird herangezoomt. „Rassismus: Rote Karte – Energiefans gegen Fremdenfeindlichkeit“, steht drauf und „Im Urlaub bin ich auch Ausländer“.
„Woher kommt ihr überhaupt?“
Der Trainer Eduard Geyer kommt an. Die Dänen fragen nach dem Trainingstermin. Einfach so und ohne sich vorzustellen. Geyer bekommt diesen Blick, zu dem die Italiener malocchio sagen, und will wissen: „Woher kommt ihr überhaupt?“ Die Spieler schlurfen vorbei. Moussa Latoundji aus Benin. Steffen Heidrich, der Kapitän. Bruno Akrapović aus Bosnien. Tomislav Piplica, der Kroate. Aus elf Nationen kommen die Kicker. Der Abwehrspieler Christian Beeck sagt zu den TV-Leuten: „Ah, aus Dänemark kommt ihr, wo sie immer dehnen.“ Er lacht. Auch ein ungarisches Fernsehteam ist angekommen. Lauthals diskutiert es mit den Landsmännern in der Mannschaft. Die Dänin sagt: „Der Trainer mit seiner germanischen Organisation hat es wohl nicht einfach mit den Ungarn, die immer so drauf sind, als hätten sie Hasch genommen. Aber so wird Cottbus wenigstens internationalisiert. Irgendwo muss es ja anfangen.“
Die Internationalisierung kroatischer Ausprägung betreibt Zdenko Ilicić. Er ist Spielervermittler und hat den Stürmer Antun Labak in die Lausitz geholt. Auch am Transfer von Torhüter Piplica hat er gut verdient. Seine Spieler haben nie Probleme mit den Cottbusern gehabt, versichert er. „Ausländerfeindlichkeit? Kein Thema. Wenn Anthony Yeboah in Cottbus, dann er auch nix Probleme, hundertprozentig.“
Moudachirou Amadou hatte Probleme. Weil er Afrikaner ist, kam er nicht in jede Disco rein. Er wechselte zum Karlsruher SC. Dort verdiente er mehr Geld – was in Cottbus zur Legende taugte, nur deswegen sei Amadou in den Westen gegangen. Und die Geschichten mit dem Ausländerhass hätte sein gewiefter Berater inszeniert. Diese Meinung vertritt zum Beispiel der Pressesprecher von Energie, Ronny Gersch. „Wir haben nicht die Mannschaft aus zig Nationen, weil wir das so schön finden, sondern aus einem wirtschaftlichen Zwang heraus. Und sehen Sie: Ein Roberto Blanco würde hier nie ein Problem haben.“ Geyer ergänzt: „Wenn wir so ein Denken hätten, dürften wir gar keinen Ausländer hier spielen lassen.“
Das Training. Träge treiben die Spieler den Ball. Ein Zaungast am Rande des Trainingsplatzes kommentiert jede Aktion auf dem Rasen. Er will seinen Namen nicht verraten, weil „die Westmedien immer diesen Scheiß mit den Rechtsradikalen hier hereintragen“. Nach einer Weile sagt der Kiebitz, seit 1960 Energie-Fan: „Mal ehrlich, drei oder vier Deutsche mehr würden wir uns schon wünschen.“ Aber die kämen nicht, ärgert er sich, „für manche ist das hier doch schon Polen“. Das Problem mit den Rechtsradikalen würde er ganz einfach lösen: „Alle an die Wand stellen und standrechtlich erschießen.“
Der Verein versucht es mit Projekten. Am Staatstheater soll ein multikulturelles Fest steigen. Energie beteiligt sich am „Cottbuser Aufbruch“, der für ein gewaltfreies und tolerantes Miteinander werben will. Martina Münch leitet das Aktionsbündnis. Sie sitzt für die SPD im Stadtparlament. Der „Cottbuser Aufbruch“ wurde 1999 im Anschluss an die drei „Spaziergänge gegen Rechts“ gegründet. Unter den 30 Mitgliedern sind Verwaltungsspitzen, Kirchenleute, aber auch Basisgruppen. Energie ist ein „Identifikationsverein“, erklärt Münch. Die Gegend sei arm, nach EU-Standards regelrecht entvölkert. Da braucht es Halt, Orientierung. „Man sehnt sich nach klaren Regeln zurück.“ Eduard Geyer ist dafür der richtige Mann. „Geyer Gnadenlos“, nennt ihn die Bild. Martina Münch weiß, dass der Trainer nicht der richtige Imageträger für ihr Anliegen ist, den rechten Mainstream einzudämmen. „Natürlich ist er durch sein autoritäres Gehabe eine problematische Person.“ Aber es müsse darum gehen, dass der Verein offener wird. „In Cottbus ist jemand mit bunten Haaren ja noch etwas Besonderes.“ Energie war darauf nicht vorbereitet.
Plötzlich schreibt jede Zeitung seine Geschichte, macht jeder Sender sein Feature. Geyer fühlt sich angeglotzt „wie eine Kuh mit drei Köpfen“. Weil das alles zu viel wurde, hat der Trainer noch mal richtig vom Leder gezogen, bevor er die Pressetermine beschränkte. Spieler, so ließ er wissen, die Ohrringe tragen, kotzen ihn an. Spieler mit Pferdeschwänzen seien mädchenhaft, und die Fußballer sollten doch bitte „den Arsch lüften“, wenn er den Raum betrete. Präsident Dieter Krein meinte sogar, Stefan Effenberg von den Bayern aus Münchner habe sein Recht verwirkt, Deutscher zu sein. Weil er nicht in der Nationalmannschaft spielen will.
Martina Münch ringt um Verständnis für so ein Weltbild: „Diese Art von Publizität ist neu für Energie. Das sind relativ schlichte Leute. Die nehmen wahr, dass negativ berichtet wird, und blocken dann ab. Sicher ist der Cottbuser viel verletzlicher, weil er eben nicht so souverän ist und Selbstbewusstsein hat.“
Dass die Clique um Energie verunsichert auftritt, kann Rolf Wischnath nicht bestätigen. Wenn sich der Generalsuperintendent der evangelischen Kirche im Sprengel Cottbus negativ über das Treiben in der Stadt äußert, muss er schon mal mit Anrufen und Briefen von führenden Persönlichkeiten der Stadt rechnen, die ihm vorhalten, mit seiner Meinung vergifte er das Investitionsklima in der Region. Wischnath macht eine Atmosphäre des „Bemäntelns, Beschweigens und Beschönigens“ aus, an der auch der Fußball seinen Anteil habe. Geyer ist einer der Verfechter der Cottbuser Dreifaltigkeitslehre. „Man sollte sich erstmal wochenlang freuen“, rät er den Medien, „dass wir überhaupt aufgestiegen sind. Man darf nicht immer alles verdrehen.“ Wer sich eingeschränkt freut, gerät in den Verdacht, ein „Brunnenvergifter“ zu sein. „Wenn man nicht zu verblödet ist, dann sieht man hier nicht nur Dreckecken“, blafft Geyer und spricht sich im gleichen Atemzug für „ehrliche Arbeit“, gegen „Drückeberger und Wackelmänner“ aus.
Ungebremster Kapitalismus
Für Wischnath bedienen solche Reden „ein bestimmtes Klischee, das bis zu den rechten Jugendlichen reicht“. Diese autoritäre, auf Führungspersönlichkeiten ausgelegte Grundhaltung, die im rechtsradikalen Bereich eine Rolle spiele, werde auch von Energie bedient. Dass die Energetiker im Kampf gegen Rassismus eine Vorbildfunktion einzunehmen haben, zu der unter anderem die wohl temperierte Rede gehört, ist noch nicht in den Köpfen verankert. Obwohl Geyer gemerkt hat, dass „die gedanklichen Prozesse in der Ersten Liga schneller ablaufen“, will der 55-Jährige das nur auf den Platz beschränkt wissen. Wischnath, gebürtiger Westfale und seit 1995 in der Lausitz, bemerkt ein „brutales Schema von Winner und Loser“, eine „Phase des ungebremsten Kapitalismus“. Das alles könne nur als Ausfüllung eines Defektes verstanden werden, der im Zusammenbruch der DDR seinen Ursprung habe.
Doch stimmt das für den Fußball? Wohnen nicht 21 Spieler, ob Albaner und Rumäne, Pole oder Deutscher, einträchtig in einer Reihenhaussiedlung in Cottbus-Sielow? Veranstaltet man da nicht regelmäßig Grillabende und hilft sich im alltäglichen Leben? Ist man nicht eine große bunte Multikulti-Truppe? Ist der Erfolg denn nicht da? Und beweist das nicht, dass Geyers rigides Regelwerk, zu dem Gewichts- und Alkoholkontrollen gehören, einfach perfekt ist?
Der Trainer sagt: „Wenn ich den Erfolg mit meiner Art garantieren könnte, wäre ich bei Barcelona oder Real Madrid.“ Aber das kann er ja nicht. Sonst wäre er schon längst dort. Bestimmt.
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