: Zwischen Rio und Mallorca
Früher war die Sängerin Elba Ramalho einmal Handballspielerin, jetzt singt sie bei den Heimatklängen
Huihhhh, wer war das denn? Der blonde Engel Elba Ramalho dürfte eine dieser Frauen sein, nach denen sich Männer in der Fußgängerzone umdrehen. Fast schon mit Brachialgewalt wirft sie sich bei den Heimatklängen diese Woche in die Gesangsschlacht. Ihre eh schon langen, gelockten Haare hat sie zunächst noch mit einem folkloristisch aussehenden Tüdel verlängert, den sie aber schon nach dem ersten Track wie eine Perücke abreißt. Der Rest ihrer Bühnenklamotten betont recht stark das fragmentarische Element – wenig Stoff, viel Haut. Gern wüsste man, wie Herr Joop! im Tagesspiegel das Alltagsmodel Elba begutachten würde . . .
Die knapp Fünfzigjährige jedenfalls hat eine Art an sich, die mir persönlich ein wenig zu, ähm, aufdringlich ist. Sich ans Publikum ranzuschmeißen ist ja noch o. k., aber in solch einem Tempo? Ein wenig kommt sie einem vor wie das überdrehte Großstadtmädchen, das sich plötzlich overdressed und angekokst in die Kleinstadt verirrt hat. Berlin is nu ma nich Rio.
Ihr Soundmix basiert auf dem nordostbrasilianischen Forró, einem Musikstil der schwer zu umreißen ist. Forró scheint wohl eher eine regionale Herkunft denn eine stilistische Eigenart zu definieren. Intellektuelle sollen so ihre Probleme mit dem Forró haben, er sei „eine niedere und primitive Manifestation des Volkes“ heißt es in PopScriptum 3-95. Mancher meint, der Begriff entstamme einer Ableitung des Englischen „For all“.
Jedenfalls ist der Forró populär. Und auch im Tempodrom schlägt er natürlich ziemlich schnell ein. Ramalho trällert sich durch ihr recht umfangreiches Repertoire. Ihre erste Platte nahm sie bereits 1979 für CBS auf. Ihre fünf Mitmusiker agieren wie eine routinierte Rockband, die gern Ausflüge in alle möglichen Ecken des brasilianischen Kontinents unternimmt. Wichtigster Mann hierbei wohl der Akkordeonist Olivio. Aber im Endeffekt fokussiert die Show ganz auf Elba Ramalho. Sogar wenn sie sich mehrere tanzende Paare aus dem Publikum auf die Bühne holt, steht sie noch im Mittelpunkt.
Immerhin war sie ja in ihrem bisherigen Leben auch schon Handballspielerin, Schlagzeugerin in einer Girlband, Soziologiestudentin und Schauspielerin bei Theater und Film. Wer diese so einfache Musik einfach so genießen kann, hat Glück. Die andern grübeln darüber nach, ob man nicht auf Mallorca ähnliches in einer Strandbar hören könnte – oder sie denken gar entsetzt an das Energiebündel und Nervensäge namens Tina Turner. Elba Ramalho – eine für alle. Aber nicht für jeden.ANDREAS BECKER
„Heimatklänge“ mit Elba Ramalho, noch heute 21.30 und morgen, So, 16 Uhr im Tempodrom, Ostbahnhof, 5 DM
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen