: Verbot? Rechte rücken zusammen
Die Erfahrungen zeigen: Verbot rechter Organisationen führt zur Veränderung politischer Strukturen und schweißt militante Kerngruppen zusammen
von ANNETTE ROGALLA
Ein Brief und ein paar Polizisten genügen, und die rechten Kameraden werden ruhig. So einfach ist das? Die Hamburger Innenbehörde hat gestern Vormittag vier Mitgliedern der rechtsextremistischen Gruppierung „Hamburger Sturm“ die Verbotsverfügung zugestellt und die Privaträume der Herren durchsucht. Das Verbot gilt „mit sofortiger Wirkung“.
Ein Brief und ein paar Polizisten sollen die braune Struktur zerschlagen. Die Innenbehörde begründet das Verbot unter anderem mit einem Interview, das die gleichnamige Postille des „Hamburger Sturms“ publizierte. Vor wenigen Wochen ließ sie eine selbsterernannte braune Zelle zu Wort kommen, die sich als Gruppe „von mehreren Personen“ vorstellte, die in der „NPD tätig sind, aber mit dem NPD-Führungsstil unzufrieden geworden sind“. Die „handelnden Aktivisten aus dem Untergrund“ verstehen sich als reiner Männerbund. Bewaffnung sei vonnöten in diesem „Krieg mit dem System“. Mord nicht ausgeschlossen: „Da gehen nun mal Bullen oder sonstige Feinde drauf“, erklärten die „Nationalrevolutionäre Zellen“.
Fest eingebunden war der „Sturm“ im Netz der rechten Kameradschaften. Die Redakteuere der Zeitschrift, die Neonazis Thorsten Bärthel und Torben Klebe, knüpften die Kontakte. Sie unterhielten sehr gute Beziehungen zum Neonazi-Musiknetz Blood & Honour, empfahlen sich inhaftierten Kameraden als Verbindungsmänner zur Szene und tauchten auf NPD-Demos auf.
Zwei Jahre haben sich die Innenminister mit Verboten zurückgehalten. Im August 97 ließ der damalige Behördenchef von Brandenburg, Alwin Ziel, SPD, die „Kameradschaft Oberhavel“ ausheben. Allein zwischen November 1992 und März 94 wurden bundesweit insgesamt sieben rechtsextreme Organisationen verboten. Doch solche Maßnahmen trugen offenbar nur dazu bei, das die militanten Kerntruppen enger zusammenrückten.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz registriert laut Focus neue „aktions- und gewaltorientierten Untergrundstrategien“, Teile der Szene seien bereit, ihre „politischen Ziele auch mit Gewalt zu verfolgen“. Bernd Wagner, der seit Jahren die Szene im Osten beobachtet, schätzt, dass in „der überwiegenden Zahl der ehemaligen Kreisstädte der DDR heute Kameradschaften existieren“. Das dürften mindestens 200 sein.
Die NPD bietet sich vielen von ihnen als politisches Basislager an. Nach den Gruppenverboten räumten die piefigen Altnazis der frühen Jahre konsequent das Feld. Die Führer der verbotenen Gruppen besetzten die Zentrale: Steffen Hupka etwa. Wehrsportleiter, Chef der Nationalen Front (NF-Verbot 27. 11. 92), heute Chefideologe der NPD. Oder Frank Schwerdt (siehe unten).
Die Verbote konnten die Reihen der militanten Nazis temporär lichten, in die Isolation ließen sie sich nicht treiben. Es war absehbar. Dass Verbote dem Rechtsstaat „keine große Entlastung“ bringe, bilanzierte bereits im April 1994 Lothar Jachmann, stellvertretender Leiter des Bremer Landesamtes für Verfassungsschutz. Und heute räumen selbst die vehementen Fürsprecher unter der Hand ein, dass die Verbote die Gruppen bestenfalls lähmen konnten, spätestens seit 1997 präsentierten sich die „Kameraden aber wieder topfit“.
Duch die Ruhe der vergangenen Jahre wiegten sich die Neonazis in Sicherheit. Kaum ein NPD-Funktionär scheut den offenen Kontakt zu militanten Kameradschaften. Ganz offen lädt der Landesvorstand die militanten Anti-Antifa-Kämpfer des „Thüringer Heimatschutzes“ zu Versammlungen mit anschließendem Liederabend ein. Darin sehen auch Skeptiker des NPD-Verbots eine deutliche Gefahr. Mittlerweile hält auch Rechtsextremismusexperte Wagner ein Verbot aber „durchaus für sinnvoll“. Der Staat müsse die politischen Strukturen des Rechtsradikalismus schwächen. „Grundsätzlich wird aber auch ein Vebot der NPD das Problem des Rechtsextremismus in Deutschland nicht beseitigen.“
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