: Rassistisch motivierte Misshandlungen
Die Anzahl der Übergriffe von Polizisten auf Ausländer nimmt ab, doch die Schwere der Taten nimmt zu. Berliner Beamte fallen immer wieder durch fremdenfeindliches Verhalten auf. Erst letzte Woche wurde ein Azubi suspendiert
In der Polizei herrscht gegenüber Ausländern „durchgängig ein Klima der Aggression“, befand amnesty international (ai) im Jahresbericht 1995. In der ersten Hälfte der Neunzigerjahre hatten die polizeilichen Übergriffe auf Ausländer einen Höchststand erreicht. Zwischen 1993 und 1995 liefen allein bei amnesty bundesweit 70 Fälle ein. Davon entfiel die Hälfte auf Berlin. ai-Mitarbeiter Michael Butler hielt die Misshandlungen damals für „rassistisch motiviert“.
In zwei Fällen sprach amnesty sogar von Folter: 1994 hätten Berliner Polizisten zwei Vietnamesen in einen Abwasserkanal gestellt und die beiden unter Schlägen nach Schmuggelzigaretten gefragt. Dann seien die Vietnamesen gezwungen worden, 20 Minuten lang im kalten Kanalwasser hin- und herzulaufen.
Auch in den letzten ai-Jahresberichten spielen Misshandlungen durch Polizisten eine Rolle. „Die Zahl der Vorfälle hat abgenommen, aber ihre Schwere hat zugenommen“, fasste ai-Mitarbeiterin Eva Neumann gestern den bundesweiten Trend zusammen.
Auch in der jüngeren Vergangenheit wurde in Berlin eine Reihe von Vorfällen öffentlich. Im März diesen Jahres meldeten drei türkische Auszubildende an der Polizeischule rassistische Äußerungen ihrer Mitschüler. Die Schulleitung ließ ermitteln. Erst vorige Woche wurde bekannt, dass ein Polizei-Azubi wegen Sprengstoff- und Waffenbesitzes vom Dienst suspendiert worden war. Der Kommissaranwärter war im Unterricht an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege durch rassistische, antisemitische und frauenfeindliche Sprüche aufgefallen. Die Polizei hatte den Fall zunächst verschwiegen.
Eine offene Auseinandersetzung über solche Vorfälle findet kaum statt. Kritiker aus den eigenen Reihen werden als „Nestbeschmutzer“ diffamiert. Als der Chef der Landesschutzpolizei, Gernot Piestert, voriges Jahr in einer Rede Defizite offen benannte, war Innensenator Eckart Werthebach (CDU) schwer verärgert. Piesterts Urteil: Die „persönliche und soziale Kompentenz“ lasse bei vielen Beamten sehr zu wünschen übrig. Er beklagte erschreckende Bildungslücken, mangelnde Kommunikationsfähigkeit und rüde Umgangsformen. WIN
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