: Heulsuse gerät zum Helden
Warum einige Fans der Schalker Opportunisten sind und die überschwängliche Begrüßung des Konvertiten Andreas Möller eine Verirrung ist, an der Manager Assauer Schuld trägt. Eine Polemikaus Gelsenkirchen MARKUS FRANZ
Liebe Kölner, um euch geht es an dieser Stelle leider nicht. Nur so viel sei gesagt: Euer Spieler mit der Nummer 11, Archil Arweladse, kann ein Großer werden. Leider werdet ihr nicht viel davon haben, weil er sicherlich nicht mit euch in die Zweite Liga gehen wird. Warum ihr absteigt? Naja, wenn ihr es nicht fertig bringt, aus eigener Kraft wenigstens ein einziges Tor gegen solch eine schlechte Abwehr wie die von Schalke, dazu gegen den mit Abstand schlechtesten Torwart der Liga, Olli Reck, zu schießen, dann ist euch einfach nicht mehr zu helfen.
Bezeichnend, dass der zweitschlechteste Spieler auf dem Platz am Sonntagabend, der Schalker Abwehrspieler Tomasz Hajto, ein Eigentor geschossen hat. Schon nach einer Viertelstunde hatte er so viele Fehler gemacht, dass alle dachten, der muss in Wirklichkeit ein Holländer sein, weil nur so zu erklären ist, dass ihn der holländische Trainer Huub Stevens nicht auswechselte und weiter Unfug treiben ließ.
Liebe Schalke-Fans. Nein, nicht „liebe“. Das habt ihr nicht verdient, jedenfalls ein Großteil von euch hat es nicht. Ihr Opportunisten, widerliche, schlimme, böse. Und spätestens jetzt muss ich offenbaren, was sich sowieso nicht verbergen ließe: Ich bin selber Schalker. Einer von denen, die bis zur letzten Saison wie alle anderen mit Taschentüchern gewinkt haben, wenn ER am Ball war, die ihn „Heulsuse“ gerufen haben, die über seine Verpflichtung geschimpft und auch deshalb keinen Bock mehr auf Schalke gehabt haben, weil Manager Rudi Assauer, wie schon bei der Verpflichtung von Olli Reck und dem Ausbooten von Publikumsliebling Mike Büskens geschehen, auf die Gefühle der Fans keinerlei Rücksicht nimmt. „Na und?“, werden manche sagen. Fußball ist heutzutage reines Geschäft. Da haben Gefühle keinen Platz. Allenfalls am Rande. Aber da kennen sie die Schalker nicht. Hatte ich jedenfalls gedacht.
Ich habe ja schon von Massenhypnose gehört. Aber von Massengehirnwäsche? Manager Rudi Assauer ist das Kunststück gelungen. In den letzten Monaten hatte er den Fans des Öfteren gedroht, wenn sie ihren Unmut über die Transferpolitik des Vereins und die Aufstellung des Trainers allzu heftig geäußert hatten. Wenn das so weitergehe, wolle er den Verein verlassen, und überhaupt, die Krakeeler seien keine richtigen Schalke-Fans.
Das haben sich die Fans nun offenbar zu Herzen genommen. Das Spiel gegen Köln war zu Ende. Die Schalker Spieler ließen sich nach einem mäßigen Kick gegen einen künftigen Absteiger feiern, und dann kam, was einem die Schamesröte ins Gesicht trieb: Andy-Möller-Rufe. Tatsächlich.
Wenn der Schwarz-Gelbe wenigstens gut gewesen wäre, das heißt, wenn er gekämpft hätte, statt auf dem Platz herumzutraben, immer in der Nähe eines Gegenspielers, damit er bloß nicht angespielt wird – dann hätte man die Rufe zumindest verstehen können. Aber so. Reine Rudi-Assauer-Liebedienerei. Nichts anderes.
Wie es wirklich um die Schalker Seele bestellt ist, zeigte sich, als einer eingewechselt wurde, der seit drei Jahren nur noch sporadisch auf dem Platz steht, der als Stürmer selbst in seinen besten Jahren nur sieben Saisontore geschossen hat, ein Holländer: Youri Mulder.
Da schrien sie kollektiv auf, sehnsuchtsvoll, verzückt, aus tiefster Seele, dass einem das Herz überging. Youri ist wieder da, einer derjenigen, der sich immer für die Mannschaft zerrissen, der sich mit ihr identifiziert und der die Gefühle der Fans widergespiegelt hat. Einer aus der guten Zeit, als Spieler auf Schalke noch danach ausgesucht wurden, ob sie auch menschlich zur Mannschaft passen.
Und vor allem einer derjenigen, die die Gegnerschaft zwischen Dortmund und Schalke am meisten angefeuert und sich vor allem über einen immer lustig gemacht hat. Über wen wohl?
Eben.
FC Schalke 04: Reck - Hajto, Waldoch, van Kerckhoven - Latal (81. Eigenrauch), Oude Kamphuis, Nemec (69. van Hoogdalem), Böhme - Möller - Sand, Mpenza (69. Mulder) 1. FC Köln: Pröll - Cullmann, Lottner (77. Kreuz), Keller - Timm, Hauptmann, Baranek (49. Scherz), Voigt, Springer - Arweladse (72. Donkow) , Kurth Zuschauer: 62 000Tore: 1:0 Sand (12.), 2:0 Mpenza (37.), 2:1 Hajto (88./Eigentor)
Hinweis:Und dann kam, was einem die Schames-röte ins Gesicht trieb: Andy-Möller-Rufe
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