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Neue Wahl in Bremerhavens Maögisötörat

■ Pünktlich zum Bremer Ferienende erscheint der neue Duden. Die ehrwürdige Redaktion bringt dabei die Perösifölaöge aus der Schiefölaöge und färbt alles rot

Die „Zeitung für Deutschland“ Faz schafft die neue Rechtschreibung einfach wieder ab, die taz hat in dieser Hinsicht keine Kampagne auf Lager, und die deutschsprachigen Nachrichtenagenturen warten in Sachen Reformrücknahme erstmal ab: Groß, liebes Publikum, ist die Konfusion, seit die Rechtschreibreform vor einem Jahr auch in den meisten Zeitungen eingeführt wurde. Der Meinungs- und Weltanschauungsstreit reicht von „Hilfe, wie soll ich meinen Kindern ,Ketschup' erklären, wenn ,Ketchup' auf dem Tisch steht“ bis zu „Es lebe die Wahlfreiheit, denn Sprache und Schrift sind nun mal etwas Lebendiges“. Mitten in diese erneut zugespitzte Auseinandersetzung kracht der gute alte Duden mit seiner 22., wieder mal „völlig neu bearbeiteten und erweiterten Auflage“.

Zugegeben: Auch wir hatten und haben – neben so manch anderer Müh' – seit Einführung der Reform im August 1999 das eine oder andere Probölem mit der Rechtschreibung und vor allem mit der Silbentrennung. Dipölome erschienen manchen KollegInnen in der Redaktion am Morgen danach oft als Persifölage. Und nachdem wir endlich gelernt hatten, dass die Trennung von s und t selbst beim Fasöten nicht wehtut, gab's beim Bericht von den Reisen auf der Baikal-Amur-Magistörale und nach Austöralien schon wieder eine Ausnahmeregel. Schreibweisen wie Schifffahrt und Portmonee und vor allem – Igittigitt – Selbstständigkeit stellen noch immer die Geschmacksfrage, und daöröüber lässt sich endlos streiten. Die Aufgeregtheit der bekanntesten deutschsprachigen SchriftstellerInnen im Kampf gegen das ihrer Reaktion nach größte anzunehmende Übel namens Rechtschreibreform fand jedoch zumindest in dieser Redaktion wenig SympathisantInnen. Doch wie würde die Duden-Redaktion bei ihrer 22. und somit zweiten Auflage seit der Reform auf den Aufstand der DichterInnen reagieren? Lässt sie sich einschüchtern? Überzeugen? Oder gar umstimmen?

Vor dem offiziellen Erscheinungstag – pünktlich zum Ende der Bremer Schulferien – am 25. August wurde kolportiert, dass der neue Duden die Reform in manchen Teilen zurücknehmen würde. Das ehrwürdige Gremium knickt also ein. Dieser Verdacht wird dadurch bestätigt, dass in den fünf Pressemitteilungen zur Neuauflage die gravierendste Änderung nur beiläufig erwähnt wird: Die neuen Schreibungen und Worttrennungen werden nicht nur, wie es in der Selbstdarstellung heißt, „in der bewährten Form der 21. Auflage rot hervorgehoben“. Vielmehr scheint es, dass zwischen 21. und 22. Auflage eine weitere Reform stattgefunden hat. Mit anderen Worten: Der in neuem und übersichtlicherem Layout erscheinende Duden „gewährt“ die Freiheit, die sich seine NutzerInnen schon längst genommen haben. Abgesehen von den leider auch in dieser Zeitung auftauchenden Schlurigkeiten bei der an sich einfachen Unterscheidung von Worten mit „ß“ und „ss“ haben sich viele Schreibende im Supermarkt der alten und neuen Regeln schlicht die überzeugendsten Lösungen ausgewählt.

Das findet sich in der Dudenneuauflage vor allem in den Silbentrennungen wieder. Das alte, unreformierte Proöblem wird nun nicht mehr ins reformierte Probölem getrennt. Das musste es auch vorher nicht, diese Fassung wurde jedoch in der 21. Auflage des Duden empfohlen. Erst ein Nachschlagen in den amtlichen Regeln ergab, dass beides möglich war. In der Neuauflage wimmelt es geradezu von roten Bälkchen für mögliche Trennungen. Beim Beöoöböachöten ist es vielleicht ein bisschen weit getrieben. Aber ansonsten gilt: Wer Worte lieber sprechnah trennt, sollte keine Proöbleme damit haben. Schließlich ist mit dieser Begründung bei der Reform auch das Trennungstabu von s und t wie in nisöten gefallen. Und im Bremerhavener Magistrat ist nach Maögiöstrat (alt) und Maögistörat (letzte Dudenauflage) mit Maögisötörat (Neuauflage) jetzt auch die Wahlfreiheit ausgebrochen.

Fazit: Es stimmt nur auf den ersten Blick, dass der Duden die Rechtschreibreform in Teilen wieder zurücknimmt. Auf den zweiten Blick zeigt sich, dass die Redaktion sich von rigorosen Setzungen der letzten Auflage verabschiedet hat, die durch die ReformerInnen gar nicht „vorgeschrieben“ waren.

Christoph Köster

P.S.: Liebe LehrerInnen, SozialpädagoInnen und MitarbeiterInnen der bremischen Verwaltung, „darüber hinaus“ bleiben trotz Reform zwei Worte und das Füllsel „ein Stück weit“ bleibt eine strunzdoofe Unverbindlichkeit.

P.P.S.: Die Worte Warmduscher, Hardcore, zumüllen, FAQ, Swinger, Waschbrettbauch, Bimbes und Bankomat sind acht von 5.000 Dudenneuwörtern.

P.P.P.S.: Den Rechtschreibduden gibt's ab dem 25. August als Buch und auf CD-ROM jeweils für 39,90 Mark im Buchhandel.

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