: Funk in ziemlich starken Dosen
Die letzte Woche bei den Heimatklängen gehört dem Samba und den blonden Jungs: Funk’n Lata aus Rio
Jetzt ist endlich klar, woher die rumänische Mannschaft bei der Europameisterschaft die Idee hatte, sich die Haar blond zu färben: aus Brasilien. Und zwar von Funk’n Lata. Wenn ich mich nicht verzählt habe, steht die Band mit 16 Mann auf der Bühne. Die komplette Percussion-Section ist blondiert und auch in den vorderen Reihen einige, so der Sänger Ivo Meirelles. Schon seit bald fünf Jahren haben Funk’n Lata dieses Styling. Meirelles war in Harlem zu Besuch gewesen und hatte dort einige New Yorker Schwarze „bleached“ gesehen. Damals, Anfang 1996, waren von 25 Funk’n-Lata-Leuten 23 plötzlich blond („Die Mädchen mögen das“).
Die Jungs auch. Funk in Dosen, wie man den Bandnamen übersetzen könnte – angeblich so benannt, weil in Rio einmal jede Menge guter Stoff in Dosen am Strand angeschwemmt wurde – legen mit schier unerschöpflicher Energie los. Vor allem ihre Trommelabteilung macht einen derart durchdringenden Sound, dass sogar die Taxifahrer vorm Ostbahnhof ihre Fahrgäste mit Gratis-Extra-Hüftschwung in die Kutsche hiefen.
In ihrer Trommelenergie bemerkt man die Verwandschaft der Band mit den Sambaisten aus der zweiten Heimatklänge-Woche, Velha Guarda Da Mangueira. Und wieder was gelernt bei den Ethnokursen der Heimatklänge: beide Bands kommen aus der Gegend Mangueira. Überhaupt hat man jetzt, in der letzten Heimatklänge-Woche dieses Jahres, das Gefühl wenigstens einen gewissen Überblick über die verschiedenen Stile des Riesenlandes Brasilien zu haben. Obwohl die Pop-Abteilung mit Elba Ramalho ein wenig unterrepräsentiert war. Klasse wäre natürlich eine ganze Woche mit Gilberto Gil oder Milton Nascimento gewesen. Aber beide sind für die Veranstalter Tempodrom und Piranha einfach nicht finanzierbar.
Schon die Unterbringung der in diesem Jahr oftmals Big-Band-Stärke erreichenden Gruppen, wäre fast unbezahlbar, wenn das Forum-Hotel nicht als Co-Sponsor fungieren würde. So muss Macher Borkowsky immer einigermaßen die Balance halten zwischen bezahlbaren, bei den Heimatklängen sehr niedrigen Gagen, und künstlerischem Anspruch. Es ist schon eine Leistung, dabei wenig echte Flops nach Berlin eingeladen zu haben – und das seit 12 Jahren.
Eine Funktion von Heimatklänge war immer auch, die Communities der Stadt miteinander zu verzahnen. Das gelingt naturgemäß nur teilweise. Immer aber haben die Multikulti-deutschen das gute Gefühl, einer Veranstaltung beizuwohnen, bei der es nur ein wirkliches Fremdwort gibt: Rassismus. Dieser Umstand war bei Beginn 1988 noch banal, heute ist er das leider durchaus nicht mehr. Ein paar Subventionen aus den fetten Naumann-Töpfen wären bei Heimatklänge sicher nicht schlecht angelegt. Die Sparkasse allein hilft nicht auf Dauer.
Funk‘n Lata machen derweil Funk der Spaßsorte: „I feel Good“, „Sex Machine“ und dann auch noch „Sexy Motherfucker“ ziehen sie kraftvoll durch den Samba-Kakao. Nächstes Jahr kümmert man sich im Tempodrom um Soul aus Afrika und Amerika. Bis denn. ANDREAS BECKER
Heute und morgen 21.30 und Sonntag 16 Uhr im Tempodrom am Ostbahnhof
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