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Elvis klebt

Samt Imitatoren rollte vorgestern, am 23. Todestag des Beckens, die Elvis-Auto-Karawane zur Gedächtniskirche

Der Tag, an dem Elvis nach Charlottenburg kam, ist drückend heiß. Am Ende des Kudamms, vor staunenden Gucci- und Versace-Shop-Verkäuferinnen, lehnen Petticoats mit Zicken-Sonnenbrillen an rosa Cadillacs, US-amerikanische Flaggen und furchtbar kitschige Elvis-Fußabtretermatten hängen an blauen Chevrolet-Pick-ups.

Ein grauer Elvis-Wolf macht die Kühlerhaube seines Chevy auf – bewundernde „Aaah! Oooh!“-Rufe der Umstehenden. Ein dicklicher Vokuhila-Rocker mit „Elvis – The Concert 1998“-T-Shirts berlinert in sein Handy: „Hallo Helga! Jeht los hier, jetze!“ Der Gedenkmarsch, die Elvis-Auto-Karawane anlässlich des 23. Todestages des Beckens soll bis zur Gedächtniskirche rollen, begleitet von ein paar wenigen Gesundheitslatschenfamilien und ein paar mehr schlecht angezogenen BerlinerInnen mit Elvis-kurz-vor-Schluss-Statur.

Vor der Gedächtniskirche schwenkt, wie es so schön heißt, ein lokales Kamerateam schon eifrig einen Elvis-Imitator ab. Der Braungebrannte mit der roten Birne singt schon zum dritten Mal „Tutti Frutti“ auf den Treppen vor der Kirchenruine, und die müden, neben ihm sitzenden Touri-Mädchen verziehen sich heimlich, damit sie nicht aufs Bild kommen. Schnell versammeln sich zwanzig Leute, sechs davon mit Sony in der Hand, und filmen „Mr. Presley“, wie ein kopfschüttelnd vorbeischlendernder Home Boy grinst.

Der Imitator setzt noch mal an, aber weil andauernd Busse vorbeirollen, klingt es wie „Tuddy fruddy (Bus) ruddy“. Der Teddy Boy, Typ Rock ’n’ Roll-Hausmeister, trägt bei der Hitze eine schwarze Hose, schwarzes Hemd und ein goldglitzerndes Jackett. Vorher hatte er ein purpurnes, also gesichtsfarbenes Jackett an. Das goldglänzende war noch in seiner Schutzhülle. Aber für den wichtigen Dreh mit dem Lokalsender hat er sich in Schale geschmissen. Und schwingt die Hüften wie Shakin’ Stevens.

Danach schwenken die Touris noch den schlimmen Jongleur und einen Gröl-Punk ab. Und obwohl klar ist, dass Elvis natürlich lebt, steht die Frage im hitzeflirrenden Straßenraum, wie die Digicam-Fraktion diesen Film zu Hause eigentlich verkaufen will. Dass sie in Graceland waren, nimmt ihnen doch keiner ab.

JENNI ZYLKA

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