: Lesestoff für Fernsehratten
Konsumieren bei laufender Kiste: Fernsehbegleitende Magazine und Bücher sahnenbei den kaufkräftigen Kids ab. Vorreiter dieses Konzeptes ist der Stuttgarter Dino-Verlag
von JENNI ZYLKA
„Wetten dass? Das offizielle Buch zur Show“ heißt ein über 140 Seiten schwerer, gebundener Wälzer, auf dessen Cover Thommy Gottschalk sein blond gelocktes Lächeln präsentiert. Darin werden, nach Grußworten der Ex-und-Noch-Moderatoren Elsner und Gottschalk, nach einem Interview mit Aussteiger Lippert und Was-ist-was-ähnlichen Erklärtexten („Wie funktioniert Wetten, dass?“) die Sendungen minutiös aufgeschlüsselt. Welche Fragen man sich auch immer zu diesem Thema nicht gestellt hat – sie werden beantwortet.
Das Buch ist etwas für Fans, vollgestopft mit Fotos und Zitaten, mit öffentlich-rechtlichen Fernseherinnerungen, die einem Texter Peter H. Untucht ganz privat ans Herz legt.
Und damit genau ins Schwarze trifft. Denn der Stuttgarter Dino-Verlag, der die überflüssige Schwarte gerade herausgebracht hat, ist Experte für fernsehbegleitende Schriften. Der Verlag macht Heidenumsätze mit Magazinen, Büchern und Comics mit bekannten Namen wie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, „Pumuckl“ und „Simpsons“-Sonderheften. Zur Manga-Zeichentrickserie „Sailor Moon“ und den „Pokémons“ hat er genauso ein Begleitheft im Programm wie zu dem englischen Popshow-Zuschauerhit „Top of the pops“.
Und es läuft einfach sensationell: Das Unternehmen erwirtschaftete im Printbereich letztes Jahr ein Umsatzplus von 63 Prozent. Die „GZSZ“-Fanzeitung läuft im Teenieblattbereich der Bravo fast schon den Rang ab.
„Das Konzept ist deshalb so gut, weil wir so viel Erfahrung haben – Dino als erster hat mit dieser Idee angefangen und damit eine sehr große Zielgruppenkompetenz und eine große Range“ nennt Steffen Volkmer von der Dino Entertainment AG das fachmännisch. Natürlich gibt es auf dem schwer umkämpften Comicmarkt noch die alten Kombattanten wie Marvel Comics oder der Egmont-Ehapa-Verlag, der die Rechte an allen deutschen Disney-Produktionen besitzt. Aber Dino, der auch auf dem Neuen Markt mitwettet, rennt mit großen Schritten voraus.
Das liegt daran, dass die findigen Dinos bei ihrer angepeilten Konsumentengruppe der 8- bis 24-Jährigen (das soll in Zukunft sogar noch in beide Richtungen ausgeweitet werden) vor allem auf die Synergieeffekte zwischen Fernsehkonsum und Lesen setzen.
Was Kids und Teenies schon aus der Glotze kennen, das kaufen sie auch beim Zeitschriftenhändler. „Erleichterung des Rezeptionsprozesses“ nennt man das soziologisch, und es bedeutet, dass die Jugendlichen beim Lesen von Geschichten mit bereits eingeführten Figuren und Szenarien nicht erst fantasievoll neue, originäre Bilder und Figuren erfinden müssen, wie es bei „normaler“ Literatur der Fall ist. Das ist leichter und erfordert weniger Konzentration.
Außerdem kann Dino schnell auf Trends reagieren: Eine klassische Comicfigur wie Mickeymaus behauptet sich zwar schon ewig auf dem Markt, ist aber gegenüber den Simpsons nicht mehr up to date.
Ein anderer Vorteil ist, dass ein Verlag sich im Gegensatz zu einem Sender in jegliche Richtung drehen kann. Es ist nicht verboten für Zeitungen beziehungsweise Magazine, Lizenzen von öffentlich-rechtlichen und privaten Anstalten zu erwerben, oder auch in ganz unterschiedlichen qualitativen Segmenten zu weiden (etwa den genialen Simpsons und den unterirdisch schlechten Pokémons).
Genauso unterschiedlich ist auch die Qualität der dabei abfallenden Zeitungen: Während das Simpsons-Sommersonderheft genau wie die Vorlage einigermaßen frech und innovativ daherkommen, beispielsweise mit Schulstrategien („Kenne deinen Feind: Der Lehrer. Die Zeitbombe im Klassenzimmer“), ist das GZSZ-Magazin ungefähr genauso inspirierend wie seine Vorlage. „Die Auswahlkriterien“, sagt Volkmer dazu, „sind vor allem eine sorgfältige Marktanalyse“, mit anderen Worten: Lohnt sich das finanziell? Man würde zwar nicht jedes Fernsehthema zweitverwerten, „Gewalt verherrlichende oder die Menschenwürde verletzende Serien natürlich nicht“, andrerseits gilt die Devise: Keine Angst vor schlechten TV-Formaten, „unsere Meinung ist nicht unbedingt die Meinung des Marktes“, gibt Volkmer zu.
Vorausschauend setzt der Verlag in Zukunft auf Merchandising-Produkte. Wenn der Teenie schon die Zeitung einpackt, dann kann ihm auch gleich noch das passende GZSZ-T-Shirt oder die Pokémon-Uhr aufgeschwatzt werden. Alles im Taschengeld-Spesen-Bereich.
Ein etwas höheres Taschengeld muss der TV-Junkie für die Bücher zahlen, das erwähnte „Wetten, dass?“-Konglomerat aus Facts und positiven Pressestimmen kostet fast 30 Mark – eher ein Erwachsenengeschenk. Aber potentielle KäuferInnen wissen: Hier kaufe ich keine Katze im Sack. Sondern etwas nett Belangloses, zum Konsumieren während die Kiste läuft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen