: Na dann: Gute Nacht
■ Wohin, wenn das eigene Wohnzimmer nicht mehr fetzt? Ein paar subjektive Empfehlungen zum situativen Tapetenwechsel am Abend
Nachtleben in Bremen. Man nehme zu gleichen Teilen eine Universität mit ausgelasteten geisteswissenschaftlichen Fakultäten, eine fehlende Sperrstunde und eine Stadt, in der Alt-68er das Gastronomiegewerbe dominieren. Drei Mythen und eine gute Nacht – viele Kneipen und Tanzvergnügen für jeden Geschmack.
Gravitationszentrum ist seit eh und je das Ostertor/Steintor-Viertel. Am höchsten ist die Konzentration fraglos im Fehrfeld. In einem Radius von gerade mal 100 Metern finden sich vier Kneipen und ein Club, allesamt mit erhöhtem Hippness-Faktor. Dass beispielsweise die Capri-Bar ein Ort ist, an dem sich Menschen mit Trendsensibilität aufhalten, hat sich inzwischen bis Obervieland herumgesprochen. Dabei ist es bald zehn Jahre her, dass die ehemalige Animierbar die leicht schmierigen Separees des Vorbesitzers gegen ein trashiges Rockhöhlen-Ambiente tauschte. Das typische Capri-Bar-Erfolgsmoment besteht darin, durch einen Pulk erlebnisshungrigen Jungvolks weniger als zehn Minuten zur Toilette zu brauchen. Trotz exotischer Biersorten und übellauniger VIP-Keeper nach wie vor Laufsteg Nummer 1.
Nebenan im Heartbreak Hotel – das in den Gelben Seiten tatsächlich als Hotel geführt wird, obwohl in die kleine Bar nicht mal ein Doppelbett passen würde – ist zwar das Personal viel freundlicher, dafür ist die Luft reinstes Nikotin. Das wird Elvis-Fans nicht stören, schließlich wird dem King in keiner Bremer Kneipe eine höhere Quote gewährt.
Zwischen beiden Bars liegt dann mit dem Römer ein Stück Bremer Nightlife-Geschichte. Seit über 20 Jahren wird hier an bis zu sieben Tagen in der Woche aufgelegt und getanzt. Zu HipHop, Drum'n Bass, Indie, Soul, Big Beat undundund.
Nach wiederholtem Betreiberwechsel scheint die nicht weit entfernte Milchbar wieder im Aufwind. Als symbolischen Anknüpfpunkt an die guten Tage des Punk-Rock-Schuppens vor drei, vier Jahren kann hoffentlich das kürzliche Wiederaufstellen eines Kickers an alter Position verstanden werden. Schräg gegenüber öffnete unlängst das über zwei Souterrainräume verteilte Rum Bumpers, das Ska- und Punk-Rock-Anhänger anspricht.
Um die Ecke in der Feldstraße findet sich mit dem Lemans ein Beispiel für eine geglückte Reanimation. Vor wenigen Jahren atmete die Kellerbar noch die moribunde Spröde eines dunklen Punkladens, der sich selbst überlebt hatte. Heute, mit heller Einrichtung, einem breiteren Musikprogramm und der obligatorischen Happy Hour, bekommt man im Lemans vor Mitternacht nur selten einen Sitzplatz.
Unbeeindruckt von den Trash- und Kitsch-Materialschlachten anderer Viertel-Kneipen, ist das Eisen am Sielwall so geblieben wie es immer war. Schlicht, schnörkellos und solide: ein Fels in der Brandung wirbelnder Trends und Moden. Gelegentlich legen Stammgäste Platten auf und manchmal spielt eine Liveband aus den Weiten der internationalen R'n'R-Welt.
Wer tanzen will, hat im Viertel viele Möglichkeiten. Im Moments etwa residiert nicht nur mehrmals monatlich der Jazz-Gitarrist Peter Apel sondern auch diverse DJs zwischen Latino und groovendem Fusionjazz. Auch für die Housefraktion, die ansonsten das Rosige Zeiten in Nähe des Hauptbahnhofs oder das Delight am Liebfrauenkirchhof ihre Heimat nennt, hat mit der baldigen Eröffnung des Xite in den ehemaligen Räumlichkeiten der Lila Eule eine Anlaufstelle im Ostertor. Starttermin ist hier das erste Wochenende im September.
Das zweite Ballungszentrum für NachtschwärmerInnen liegt zwischen Hauptbahnhof und Innenstadt. Am Wochenende unübersehbar gesäumt von ausgelassenen Horden pubertärer Menschen ist die Spießrouten-Strecke entlang des Rembertirings. Nahtlos reiht sich hier Schmizz an Beat-Club an Woodys an Stubu, wobei durchschnittliche taz-LeserInnen in der Mehrzahl der Läden das Durchschnittsalter merklich anheben dürften. Hier sprechen schon 17-Jährige abfällig von „den Kids“.
Im ebenfalls bahnhofsnahen Tower hingegen fühlt man sich auch über 30 noch gut aufgehoben. Während es in der intimen Bar im Rahmen des samstäglichen Rotation-Clubs bei 60s-Beat, Easy Listening, Surf und Trash regelmäßig zu energischen Partynächten kommt, regieren unten auf dem eigentlichen Tanzflur härtere Gitarrenklänge für die Alternative-Nation.
Auf der anderen Weserseite fällt dem Modernes die Mutterrolle des nächtlichen Geschehens zu. In den großdimensionierten Räumlichkeiten finden sowohl (Motto-)Partys als auch Konzerte statt. Im näheren Umkreis liegen mit dem Fallstaff, dem Café Normal und dem Velvet auch noch andere nette Läden.
Andere Stadtteile sind weit bescheidener bestückt, wenn es um eine amüsiertaugliche Infrastruktur geht. Aber wer suchet, der findet. Beispiel Walle: natürlich gibt es hier seit langen Jahren das Kairo mit Angeboten von kollektivem Lindenstrasse-Schauen bis Elektronikabende der Soundplantage, aber es gibt in Walle auch mehr unauffällige Nachbarschaftskneipen als in irgendeinem anderen Stadtteil. Darunter finden sich solche Kleinode wie die Volle Pulle. Manche mögen auf die Reinigungskräfte schimpfen, die ein weiches Herz für WC-Biotope haben, doch ansonsten kann man hier ganz wundersame und nie langweilige Abende verbringen. Gregor Kessler
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