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Bald nur noch Kukident–Notare?

■ Juristen, die eine Zwei-Phasen-Ausbildung haben, könnten nach einer Gerichtsentscheidung bei der Notar-Bewerbung bald gegenüber Bremer Reformuni-Absolventen einen Vorteil haben

Aufregung unter Bremens Juris-ten: Juristen, die in den siebziger und 80er Jahren in Bremen studiert haben, könnten bald dumm in die Röhre schauen, wenn sie sich in Bremen um eine der begehrten Zulassungen zum Notar bewerben. Ginge es nach dem Hanseatischen Oberlandesgericht (OLG), werden Absolventen der so genannten „einphasigen“ Ausbildung bald schlechter behandelt als Juristen, die sowohl ein erstes- wie auch ein zweites juristisches Staatsexamen gemacht haben. Doch in einer Experimentierphase an der Bremer Uni, der 1982 mit dem Amtsantritt von Helmut Kohl der Garaus gemacht wurde, gab es nur eine Ein-Phasen-Ausbildung – und keine Noten für die Abschlussprüfung. Ungefähr 770 Absolventen dürften einen solchen Bremer Abschluss in der Tasche haben – darunter der Jus-tiz-Staatsrat in Bremen, der Präsident des Bremer Verwaltungsgerichtes, die Vertreterin des Generalstaatsanwaltes Bremen, ein Richter am Bundessozialgericht, oder Hamburgs Generalstaatsanwältin.

Die Notarzulassung ist unter Juristen begehrt – mehr Geld ist zu verdienen, das Prestige mit der Notarzulassung steigt. Bis 1991 galt in Bremen: Nach zehn Jahren Berufserfahrung konnte man die Zulassung beantragen. Eine Notars-Schwemme fürchtend, führte der Bundesgesetzgeber dann allerdings Hürden ein: Letztes Jahr etwa kamen in Bremen auf 43 Bewerber nur zehn Stellen. Insgesamt gibt es im Bezirk des Amtsgericht Bremens derzeit 267 Notare.

Auf einer 190-Punkte-Skala wird die Eignung der Bewerber geprüft: Für Fortbildungen, Berufserfahrung oder sonstige Errungenschaften können Punkte erlangt werden. Am wichtigsten aber: die Note des 2. Staatsexamens (maximal 18 Punkte) wird mit fünf multipliziert und geht in die Skala ein. Da es für Bremer Absolventen bis 1982 gar kein zweites Staatsexamen und auch keine Noten gab, wird in Bremen heute „nachbewertet“: Eine bundesweit einmalige Angelegenheit. Diese Nachbewertung wird dann wie das 2. Staatsexamen behandelt und mit fünf multipliziert.

Damit könnte bald Schluss sein. Der Senat für Notarsachen am Oberlandesgericht hat in einer noch nicht rechtskräftigen Entscheidung vorgeschlagen: Die Nachbewertung von Bremer Juristen, die eine Ein-Phasen-Ausbildung haben, soll nur mit dem Faktor 2,5 multipliziert werden. In der Bewerbungs-Skala könnten Juristen, die in Reformuni-Zeiten, also einphasig, in Bremen studierten, dann nur noch maximal 45 Punkte für ihr Studium bekommen – gegenüber 90 bei Zwei-Phasen-Ausgebildeten. Der Senator für Justiz, Henning Scherf, solle die Liste der letzten zehn neuen Notare für das Jahr 1999 noch einmal nachrechnen. Derzeit erwartete Konsequenz: Zwei von fünf für das Jahr 1999 ausgewählten „Ein-Phasen-Notaren“ würden ihre Zulassung nicht bekommen.

Argument der Richter: Nimmt man – wie der Gesetzgeber fordert – das 2. Staatsexamen zur Grundlage der Berechnungen, wird über den praktischen Teil der Ausbildung geredet, da das 1. Staatsexamen theoretischer ausgerichtet ist. Bei einer Nachbewertung der Ein-Phasen-Ausbildung flößen jedoch unrechtmäßigerweise Praxis- und Theorieanteil zusammen. Kritiker halten das für spitzfindig – auch im 2. Staatsexamen ist schließlich Theorie gefragt.

Im Hause des Justizsenators ist man über die Entscheidung des OLG nicht sehr erbaut. Zwar liegt die schriftliche Fassung dort noch gar nicht vor – allerdings wird schon jetzt darüber nachgedacht, den Senat für Notarsachen beim Bundesgerichtshof anzurufen. Bei der Bremer Notarkammer hatte man gestern noch keine Meinung zum Thema. Die SPD-Bürgerschaftsfraktion will den Vorgang aber im Rechtsausschuss zum Thema machen. Christoph Dowe

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