: Mehr Demokratie bauen
Palaverhütten für Monrovia, klassizistische Säulenhallen für Washington: In Frankfurt wird die Ausstellung „Botschaften – 50 Jahre Auslandsbauten der Bundesrepublik Deutschland“ gezeigtvon MICHAEL KASISKE
Der staatstragende Inhalt wird mit dem ersten Schritt in die Ausstellungsräume evident. Gleichgültig, in welchen Gang man aus dem Foyer einbiegt, von den Stirnwänden grüßt das nationale Wappentier – rot und schwarz auf gelben Grund – mit dem umlaufenden Schriftzug „Bundesrepublik Deutschland – Botschaft“. Schließlich ist die Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum Frankfurt „Botschaften. 50 Jahre Auslandsbauten der Bundesrepublik Deutschland“ betitelt. Neben Kanzleien und Residenzen, aus denen sich eine Auslandsvertretung zusammensetzt, werden auch weniger formale Bauten – etwa deutsche Schulen – vorgestellt.
Nach kurzer historischer Einstimmung startet der Rundgang mit dem deutschen Pavillon für die Weltausstellung 1958 in Brüssel. „Dieses Land hat so viel Schuld auf sich geladen, deshalb war es schwierig, den richtigen Ton zu treffen“, pointierte Egon Eiermann die damalige Ausgangssituation. Gemeinsam mit Sep Ruf konzipierte der Architekt eine gleichsam antithetisch zu dem 1938 von Albert Speer in Paris errichteten Pavillon wirkende, transparente Glas- und Stahlarchitektur. Das Image eines unpathetischen, geläuterten Deutschlands sollte auch von den abstrakten Bauten im eigenen Land ausstrahlen, als Synonym für demokratische Architektur.
Eiermann war auch für das 1964 entworfene Kanzleigebäude in Washington zuständig. 30 Jahre später löste sein Schüler Oswald Mathias Ungers mit einer hinzugesetzten Residenz einen Streit im Feuilleton aus: Nur allzu leicht ließen sich Attribute des jüngeren Bauwerks wie etwa Loggia und Säulenhalle als Wiederkehr einer national-klassizistischen Architektur brandmarken. Im Katalog diskutiert der Kritiker Heinrich Wefing an diesem Beispiel die Abkehr vom Bildverbot früherer bundesrepublikanischer Architektur und deren negative Beurteilung hierzulande, während die amerikanische Presse die Residenz wegen der sichtbaren Adaption regionaler Bauformen gelobt hatte. Wo Ungers sich auf die Architektur als Sprachfigur bezog und damit das visuelle Vokabular würdigt, nahm Eiermann mit der Terrassierung des Gebäudes am Hang die Topografie des Ortes zum Anlass seiner Gestaltung.
Mit „Gestaltanweisung“ und „Gestaltfindung“ werden beide Ansätze in anschauliche Begriffe gefasst. Sie stammen von Hans Scharoun, der als einziger der vorgestellten Architekten die sakrosankten Regeln des Zeremoniells brach. Die von ihm entworfene Botschaft in Brasilia kommt ohne die obligatorische Vorfahrt mit Vordach aus, und auch im Innern gehen unmerklich die Repräsentationsräume in die privaten Bereiche des Botschafters über. Wie Scharoun mit der Berliner Philharmonie eine neue Raumgestalt für Konzerte entwickelte, frischte er den Typus „Botschaft“ in einer Art auf, der im Rückblick eine gewisse Mustergültigkeit zugesprochen werden könnte.
Die Auswahl wird durch die Auslandsbauten der DDR komplettiert. Der andere deutsche Staat hatte erst nach der Unterzeichnung der Ostverträge Anfang der Siebzigerjahre die Möglichkeit, außerhalb des Ostblocks diplomatische Vertretungen zu errichten. Der Architekt des Palastes der Republik, Heinz Graffunder, entwarf 1968 für Budapest noch ein differenziertes und zurückhaltendes Gebäude; 1985 in Moskau hingegen eröffnet der erstarkte Staat einen Botschaftskomplex aus geschlossenen Körpern – Brutalismus pur vom Reißbrett eines deutsch-russischen Kollektivs. Die im Übrigen vorgefertigten Bauten erfahren heute eine Nachnutzung als deutsche Kulturinstitute.
Die Unsicherheit des Mitveranstalters der Ausstellung, des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung, in der Diskussion über Repräsentationsarchitektur zeigt sich besonders in den unbeholfen erscheinenden Entwürfen aus dem Haus der Bundesbaudirektion, die vornehmlich außerhalb der als gleichrangig betrachteten Staaten errichtet wurden. Bei der Botschaft im liberianischen Monrovia von 1964 wird etwa ein Folly „Palaverhütte“ betitelt und als „landestypische Sitzloggia für ernste Gespräche“ von den damals noch verhalten auftretenden Deutschen verbal vereinnahmt. Oder das Generalkonsulat im indischen Karatschi von 1997 wird – wohl auch zeittypisch – gelobt, weil „der ohnehin schon knapp bemessene Kostenrahmen noch unterschritten wurde“ und der ziemlich betulich erscheinende Komplex „trotzdem einem hohen gestalterischen Anspruch gerecht wird“. Hier mündet der hehre Präsentationswillen in stupende Spießigkeit. Kuriositäten des Botschafteralltags wie das „Puderzimmer“ in der Pekinger Vertretung aus den Fünfzigerjahren haben von heute aus betrachtet eher einen sanften Hang zur Komik.
Nach der Ausstellung drängt sich die Reflexion über die neuen diplomatischen Vertretungen in Berlin auf. Hier springt die Zweischneidigkeit der aktuellen Haltung ins Auge: Der nationale Aplomb ist zugunsten der Funktion in den Hintergrund getreten, dadurch werden freilich spezifische Eigenarten abgeschliffen und die Geschäftshäuser namens Botschaft zu austauschbaren Exemplaren kosmopolitischer Architektur.
Die Frage befriedigender Repräsentanz bleibt offen, abgesehen vielleicht von der englischen Botschaft in der Wilhelmstraße, die in der Art des „British Pop“ dem benachbarten Establishment die Zunge aus dem Natursteinkleid rausstreckt.
Bis 10. 9., Deutsches Architekturmuseum, Frankfurt; Katalog, hg. von Olaf Asendorf, Wolfgang Voigt und Wilfried Wang, 48 DM
Hinweis:Heute werden Botschaften wie Geschäftshäuser gebaut – als austauschbare Exemplare einer kosmopolitischen Architektur
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen