: Land-Art und Kunst für alle
Die Schönheit der Provinz, Teil 3: Der Springhornhof in Neuenkirchen bietet seit 26 Jahren Kunst im öffentlichen Raum ■ Von Hajo Schiff
Kunst in den öffentlichen Raum zu stellen, ist längst nichts Besonderes mehr, selbst in abgelegenen Bauerndörfern. Doch als Ruth Falazik vor 26 Jahren begann, den Springhornhof im kleinen Ort Neuenkirchen in der Lüneburger Heide mit Kunst zu bespielen und schon bald in einen Kristallisationspunkt von landschaftsbezogener Kunst zu verwandeln, eröffneten diese Signale aus der Lüneburger Heide noch ganz neue Möglichkeiten.
Angestoßen von Bremen war „Kunst im öffentlichen Raum“ in den Siebziger Jahren ein Schwerpunktthema der Kunstdiskussion, das dann in den Achtzigern zu umfangreichen Projekten vor allem in den Städten Hamburg und Müns-ter, Berlin und Stuttgart führte und bis heute am konsequentesten in Hamburg fortgeführt wird.
Solche Diskussionen um frei zugängliche Kunst für alle und die einsamen Eingriffe in die Natur, wie sie die US-amerikanische Land-Art praktizierte, waren die Anregungen, auf deren Hintergrund Künstlerinnen und Künstler ihre Arbeiten schon seit 1977 im Zusammenspiel mit der offenen Landschaft um Neuenkirchen erprobten. Das war immerhin Jahrzehnte früher als um den holsteinischen Skulpturenhof Bissee oder bei dem Projekt Kunstwegen – bei Nordhorn in der südniedersächischen Grenzregion zu den Niederlanden gelegen – mit seinen konzeptionell herausragend gut platzierten Objekten, das inzwischen als Summe solcher Kunstansätze zu werten ist.
In Feld, Wald und Dörfern rund um Neuenkirchen sind von Steinsetzungen zu Stahltoren, von Klangobjekten zu antikisierenden Arkaden inzwischen etwa dreißig Außenskulpturen und Installationen aufgebaut, eine vor allem in Spaziergängen oder Radtouren zu erfahrende Kunstlandschaft ist entstanden. Dabei dient der nach dem Tode der Gründerin 1998 in eine Stiftung überführte Springhornhof als vermittelnde Zentrale mit begleitenden und zusätzlichen Ausstellungen.
Zur Zeit – und nur noch bis diesen Sonntag – gibt es dort im Sinne eines offenen Archivs einen Rückblick auf die Gründungsjahre des Kunstvereins, vor allem aber eine Ausstellung von meist additiven Arbeiten des in Wuppertal lebenden und an der Düsseldorfer Akademie lehrenden britischen Bildhauers Tony Cragg. Von ihm stammt auch die große Skulptur Holzkristall. Diese Stele besteht aus dem neuen Industrieholzmaterial namens „Kerto“ und ist aus 46 Kreissegmenten zu einer dynamisch zwischen Natur und Indus-trie changierenden Großform zusammengesetzt.
Ihre Aufstellung am Rande eines aufgelassenen Freibades in der Ortschaft Tewel im Mai ist der bisherige Höhepunkt der Arbeit der Stiftung, die seit Jahresbeginn von der Kunstwissenschaftlerin Bettina von Dziembowski geleitet wird. Es ist zu hoffen, dass der Springhornhof auch weiterhin die Kunstlandschaft erweitern kann und dass ihm auch bei der Rekonstruktion des Himmelsspiegels von Valerij Bugrov oder bei den kleineren Ausstellungen im Winterhalbjahr Erfolg beschieden ist.
Kunstverein & Stiftung Springhornhof, Tiefe Straße 4, 29643 Neuenkirchen, Di – So 14 – 18 Uhr und etwa 30 Außenarbeiten im Landkreis rund um die Uhr. Tel: 05195-933963; www.springhornhof.de.
Anreise: Neuenkirchen liegt an der B73 in der Nähe von Soltau und ist in etwa einer knappen Autostunde von Hamburg aus zu erreichen.
A Must: Im Ort nicht weit vom Springhornhof ist das Bauernkaffee Silkens zu empfehlen.
Ausstellungen: Tony Cragg und Signale aus der Heide noch bis 27. August. Katalog Tony Cragg. Holzkristall/Woodcrystal, 68 S., DM 40. Nächste Vernissage mit einer Auswahl druckgraphischer Arbeiten von Beuys-Schülern sowie einer konzeptionellen Fotoserie von Gerda Hahn: 2. September, 16 Uhr
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