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Erfolg ist selbstverständlich

Rainer Zobel trainiert den ägyptischen Fußballklub Al Ahly. Dreimal wurde er Meister. Sein Heldenstatus ist unerschütterlich – wenn er nicht öffentlich Bier mit dem Ortsrivalen Otto Pfister trinkt

aus Kairo AXEL ROTHKEHL

Mühsames Ausarbeiten von langfristigen Trainingsplänen kann sich Rainer Zobel in Ägypten sparen. Am Nil haben Termine keinen Wert, Begegnungen werden schon mal wenige Stunden vor Anpfiff vom Verband abgesagt. Am Ende der Saison mussten die Spitzenvereine sogar vier Wochen lang nachsitzen. Der ägyptische Nationaltrainer hatte die letzten Spieltage verschoben. „Das macht er aus Angst, weil die Stimmungslage seiner Nationalspieler durch Niederlagen in der Liga beeinträchtigt werden könnte“, sagt Zobel kopfschüttelnd. Der deutsche Trainer hat sich an diese Umstände längst gewöhnt. Mit seinem Klub Al Ahly Kairo wurde Rainer Zobel dreimal in Folge ägyptischer Meister: „Erfolg gilt hier als selbstverständlich. Die Meisterschale wird gar nicht mehr überreicht.“

Für diesen Erfolg setzen die Ägypter bevorzugt auf deutsche Übungsleiter. Al Ahlys Lokalrivale Zamalek Kairo holte den afrikaerfahrenen Kosmopoliten Otto Pfister, die Olympiamannschaft wird von Sigi Held betreut. Held bringt die Vorzüge Ägyptens so auf den Punkt: „Meine Frau fühlt sich hier unheimlich wohl, da sie die Sonne sehr mag. Und die scheint hier immer.“ Von den drei deutschen Trainern hat er den dunkelsten Teint. Als Verbandstrainer findet Sigi Held genug Zeit, um im noblen Golfclub auf der Nilinsel Zamalek an seinem Handicap zu arbeiten.

Die ägyptische Nation spaltet sich in Al Ahly- und Zamalek-Fans. Um der Bestechung von Schiedsrichtern vorzubeugen, wird bei den Lokalderbys, die stets live im Fernsehen übertragen werden, ein ausländischer Referee angesetzt. Das letzte Match im 106.000 Zuschauer fassenden „Cairo International Stadium“ pfiff Schiedsrichter Markus Merk aus Kaiserslautern. Private Treffen zwischen den Kontrahenten Zobel und Pfister gibt es nur heimlich. „In einer Kneipe haben wir mal zusammen ein Bier getrunken. Das wusste wenig später ganz Kairo. Unsere Fans verzeihen das nicht“, erinnert sich Zobel.

Die beiden Spitzenklubs haben nicht nur Anhänger in Kairo, sondern im ganzen Land. „Selbst wenn wir in Assuan antreten, sieht man auf den Rängen nur unsere rote Klubfarbe“, sagt Zobel, der mit dieser Popularität auch im Alltag zu kämpfen hat. An jeder Ampel stürzen regelmäßig zwei Dutzend Begeisterte auf seinen roten Toyota zu, und im Restaurant drängeln sich sechs Kellner um seinen Tisch. In Ägypten ist der dreimalige Europacup-Gewinner Rainer Zobel ein Megastar, während seiner aktiven Zeit bei Bayern München stand er im Schatten von Franz Beckenbauer, Gerd Müller, Paul Breitner und Sepp Maier. Damals fragte Bayern-Manager Robert Schwan immer dann bei Zobel an, wenn Franz Beckenbauer keine Lust auf die Autogrammstunde im Sportgeschäft hatte.

In Ägypten bittet Rainer Zobel erst zwischen 21 und 23 Uhr zum Training. Damit die Al-Ahly-Spieler bei der Hitze nicht ebenso durchhängen wie die Torlatte auf dem Klubgelände. Selbst um die Zeit drängen sich noch 4.000 Fans an den Gittern der maroden Tribüne. In den Übungsstunden gibt sich Zobel streng: „So darf sich nur deine Oma in Alexandria bewegen!“, brüllt er einem Spieler auf Englisch zu. Drei Assistenztrainer übersetzen die Anweisungen ins Arabische. Die Spielberichte in den 13 Tageszeitungen Kairos lässt sich der 51-Jährige selten übersetzen. „Sonst würde ich mich nur von Reportern beeinflussen lassen, die ihre Spieler in die Mannschaft pressen wollen. Da bin ich viel freier als in Deutschland.“

Dass Europäer in Ägypten mithalten können, bezweifelt Zobel. „Auch wenn hier langsamer gespielt wird: Die hätten wegen der Temperaturen bis 50 Grad kaum eine Chance.“

Nachwuchsprobleme sind am Nil unbekannt. Auch wegen der strengen Auflagen des Fußballverbandes. Nicht mehr als zwei Ausländer dürfen für jedes Team gemeldet sein, fremde Torhüter überhaupt nicht. „Durch den Straßenfußball hat Ägypten hervorragende Techniker, und die gibt es in Deutschland nicht mehr“, sagt Zobel, der lediglich drei Monate pro Jahr im heimatlichen Braunschweig verbringt, und fügt etwas überraschend hinzu: „Ausgenommen Ansgar Brinkmann.“

Der Höhepunkt des Jahres, die Finalrunde der afrikanischen Champions League, läuft derzeit. Nach drei Spielen liegt das Team von Rainer Zobel mit vier Punkten hinter Ghanas Meister Hearts of Oak (9) jedoch nur auf Rang zwei der Gruppe 2, trägt aber zwei der restlichen drei Partien, darunter das Match gegen die Hearts, in Kairo aus. Nur die Sieger der beiden Gruppen kommen weiter und ermitteln im Dezember in Hin- und Rückspiel Afrikas Meister.

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