: Vuk Drašković kämpft um Mandat
Entgegen früheren Boykottankündigungen will der Chef der Serbischen Erneuerungsbewegung jetzt doch an den jugoslawischen Parlamentswahlen teilnehmen. Die anderen Oppositionsparteien kritisieren das heimtückische Spiel
Aus Belgrad ANDREJ IVANJI
Die Serbische Erneuerungsbewegung (SPO), nimmt jetzt doch an den Bundeswahlen in Jugoslawien am 24. September teil. Im letzten Augenblick, kurz vor dem Ablaufen der Frist, hat sie die Listen ihrer Kandidaten eingereicht. Nur wenige Tage zuvor hatte die SPO zum Boykott aufgerufen und den Rest der Opposition beschuldigt, mit der Teilnahme unter den „undemokratischen“ Bedingungen dem Regime auf den Leim zu gehen.
„SPO-Chef Vuk Drašković wollte uns überrumpeln, man kann die Wahllisten nicht über Nacht fertigstellen. Drašković hat dieses heimtückische Spiel länger vorbereitet“, sagte ein serbischer oppositioneller Parteifunktionär gegenüber der taz. Hätte der Rest der Opposition die Wahlen boykottiert, wäre die SPO jetzt die einzige Oppositionspartei, die an den Wahlen teilnimmt, und hätte dementspechend größere Erfolgschancen.
Es wird ein komplizierter Wahltag werden. In Direktwahl wird der Präsident Jugoslawiens bestimmt. Ferner werden die beiden Kammern des Bundesparlamentes gewählt, 148 Abgeordnete für die erste Kammer, davon 30 aus Montenegro, und 40 für die Kammer der Republiken, je 20 aus Serbien und Montenegro.
Auf allen Ebenen treten vier Parteien oder Bündnisse an: Die Sozialisten (SPS) mit der linken Sammelbewegung (JUL); die nationalistischen Radikalen (SRS), die Demokratische Opposition Serbiens (DOS), ein Bündnis von 18 Parteien, sowie die SPO.
Obwohl es viele Beobachter als selbstmörderisch einschätzen, dass die Opposition gespalten ist, hat sie trotzdem reale Chancen, eine Wende herbeizuführen. Und das gerade weil sich die vereinigten demokratischen Kräfte Serbiens von Drašković getrennt haben. Jüngsten Umfragen zufolge käme bei den Präsidentenwahlen der Kandidat der DOS, Vojislav Kostunica, auf 35 Prozent. Auf Milošević entfallen danach nur 23 Prozent. Die Kandidaten der Radikalen, Tomislav Nikolić, und der SPO, Vojislav Mihajlović, erhalten je 5 Prozent.
Etwa 20 Prozent der Wahlberechtigten erklärten noch vor wenigen Tagen, sie wollten nicht zu den Urnen gehen, die übrigen sind noch unentschieden. Das bedeutet, dass Kostunica möglicherweise schon im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erringen könnte, in einem zweitem Wahlgang jedoch mit Sicherheit, denn dann würden außer den SPO-Wählern auch manche Radikalen den gemäßigten Nationalisten Kostunica wählen.
Größter Feind der Opposition könnte die Apathie der Bürger sein, weil Milošević seine Anhänger komplett mobilisieren kann. Experten glauben, dass bei einer Wahlbeteiligung von 65 bis 70 Prozent das Regime die Wahlen verliert. So hat DOS eine massive Wahkampgane angekündigt, die am 1. September beginnt.
Die Frage ist, ob Milošević eine Niederlage anerkennen würde. Beobachter befürchten, nach einer entsprechenden Provokation könnte der Ausnahmezustand ausgerufen und die Wahlen abgebrochen werden. Ob die Bevölkerung das hinnehmen würde, steht auf einem anderem Blatt.
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