: Mitnicken und Schlammwaten
■ Heute Abend: Zen Guerrilla und die Effizienz elektrifizierter R'n'R-Ungleichzeitigkeit
Lang vorbei die Zeiten, da Rock'n'Roll irgendwen in Angst und Schrecken zu versetzen wuss-te. So sollte man meinen, und ein wenig bestätigen ja auch die regelmäßig auftauchenden Wiederbelebungsversuche solch kontroverser Zeiten diesen Eindruck. Aus Glasscherbentauchern werden gestandene (und in der Regel weiße) alte Männer, die mit gemütlicher Musik inzwischen auch Auto-Werbespots unterlegen dürfen, und alle Versuche, noch irgendwelche Grenzen zu übertreten, enden doch meist in Mummenschanz mit Mad Max-Kostümierung oder allerlei Körperflüssigkeiten-Schweinigelei.
Auch keine wirkliche Alternative stellt mehr dar, was sich heute noch gerne als Noise-Rock bezeichnet. Wir sind halt nicht im New York der 80er, wo eine zugekokste Blues-Pentatonik ein Statement war. Auch die bourbonschwingend-rabaukenhaft daherkommende Zen Guerilla bleibt solchermaßen beim bloßen Wiederholen bekannter Hüftschwung-Drogenkoketterie-Großmäuligkeiten, aber das tut sie nicht schlecht. Das Quartett aus Newark, Delaware (Heimat des jährlichen Turkey-Trot-Volkslaufes) wühlt sich schwitzend durch schlammige Gestade elektrifizierten Blues – und das reichlich weit entfernt von der Polyesterhemden-Eleganz eines Jon Spencer. „Das ist doch bloß vernoister Rockabilly!“, rufen die Nachbarn durch die Wand und haben nicht ganz Unrecht.
„Der Sänger macht dieses East Coast-, Gospel-, und ,Yeah-yeah'-Ding, das Mädchen mit schlechten schwarzen Haarschnitten verrückt zu machen scheint“, ärgern sich bei Lycos die Online-Redakteure über die effektiv eingesetzten Versatzstücke der Zen Guerilla. Amtlich zur Schau gestellte Mähnen, schroffe Schweinegitarren, effektverhangener Gesang, gelegentlich eine nervende Mundharmonika, Titel wie „Pins and Needles“, „Black-Eyed Boogie“ oder „Mod Riot“ versprechen einen ordentlich übelatmigen Mitnick-Abend, der aber kurzweiliger sein dürfte als der des zeitgleich im Logo aufspielenden Geistesverwandten Reverend Horton Heat. Und für die, äh, Feingeister haben Zen Guerrilla auch noch eine David Bowie-Coverversion im Programm: „Moonage Day-dream“ auf Speedballs.
Alexander Diehl
heute, 21 Uhr, Molotow
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