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Als Jazzer noch putzen mussten

■ Am vergangenen Montag starb Heinz Wendel. Für viele ist er der „Gründervater“ der Bremer Jazzszene, auch für Ingo Ahmels, dessen wunderbare dacapo-Musikreihe jüngst abgewickelt wurde und dessen gut abgehangenes Interview wir hier abdrucken – zur Erinnerung an Heinz Wendel und Höhen und Tiefen der Bremer Jazzszene

Heinz Wendel ist keineswegs berühmt dafür, Erfinder der gleichnamigen Treppe zu sein. Aber Heinz Wendel ist Jazz-Pianist der Extraklasse. Der 1936 in Hagen geborene gelernte Schlosser kam 1964 in die Wesermetropole und hat seitdem die Bremer Jazzszene entscheidend beeinflusst. Man kann sogar sagen, dass es sie ohne seinen unermüdlichen Einsatz gar nicht gegeben hätte. Wer je Wendels wuchtige Handwerkerhände sah, ist mehr als verblüfft über seine feinnervige, intime Spielweise. Nach längerer Pause feilt Heinz Wendel nun an seinem künstlerischen Comeback. Das KursBuch sprach mit dem Musiker an einem „historischen Ort der Bremer Jazzgeschichte“, an dem zwischen 1980 und 1984 der interessanteste Bremer Jazzclub betrieben wurde: von Heinz Wendel. Die Kneipe hieß damals «Pub auf den Höfen‚ und wurde von den Großen des deutschen und internationalen Jazz frequentiert.

KursBuch: Was brachte Dich zur Musik?

Heinz Wendel: Meine Eltem betrieben in Hagen ein Lokal, mit großem Veranstaltungssaal und allem drum und dran. Ein Klavier stand da auch, das mich aber zunächst überhaupt nicht interessierte. Ackordeon, das fand ich gut! Aber dann hörte ich mit 15 die Band eines wegen seiner absolut unspektakulären Gesinnung nie berühmt gewordenen Amerikaners namens George Maycock. Das Quartett spielte eine damals völlig neuartige Musik, höllisch guten Bebop. Dieses Erlebnis war für mich die Offenbarung. Solche Musik musste ich unbedingt spielen. Ich setzte mich ans Klavier, sooft ich konnte. Von meinem Lehrmeister ließ ich mir dafür sogar die Mittagspause verdoppeln. Mit 21 schmiss ich den Blaumann in die Ecke und schlug mich als freier Musiker und Organisator von Konzerten durch. Da gab es in Hagen einen ehemaligen Bunker mit 400 Sitzplätzen, dessen Programmgestaltung mir überlassen wurde. Ich arbeitete dort sieben Jahre lang und spielte auch viel selber. Zu dieser Zeit hatte ich sogar einen Vier-Jahres-Vertrag als Baritonsaxophonist in einer Salonband. Die Musik war aber so bescheuert, dass ich nach 18 Monaten aus Gewissensgründen ausstieg. Da ich mich aus gleichem Grund weigerte, im Hagener Jazz-Club-Bunker Dixieland ins Programm zu nehmen, wurde ich dann gegangen.

Wie sah es mit den Spielorten der Bremer Jazzszene aus, seit Du hierher kamst?

Damals gab es hier schlicht keine Jazzszene. 1964 übernahm ich für acht Wochen das «Metronom‚ in Walle. Da hatte ich ein tolles Trio mit Hartwig Bartz (dr) und Joop Christoffers (b), den interessantesten Musikern aus der Frankfurter Szene, die heute sicher niemand mehr kennt. Dann spielte ich im «Storyville‚ ein halbes Jahr lang für 5 Mark und einen Liter Schnaps pro Abend. Der Laden ging dann sehr schnell pleite Älacht schallendÜ. Ich hatte damals feste Absichten, wegen eines guten Angebotes nach Berlin zu wechseln, hab' dann aber zufällig mitbekommen, dass der Gerichtsvollzieher dort der regelmäßigste Besucher war. Deshalb blieb ich hier und zog in die Poststraße um. Dort gründeten wir die Musiker-Initiative Bremen, die erste Einrichtung dieser Art in der BRD. Das war die Zeit, in der Sigi Busch das erste Mal einen Real-Book nach Bremen einschleppte und Leute wie er, Ed Kröger, Heinrich Hock und Uli Beckerhoff gerade zu spielen anfingen. Dort gab's Flaschenbier für 1,30 Mark, und die Bands, die aufgetreten waren, mussten den Laden hinterher noch saubermachen ÄlachtÜ. Die Musiker begannen damals «free‚ zu spielen und sich wie junge Götter zu fühlen. Damit fing auch die schlechte Zeit für den Jazz an. Die Poststraße ging durch den Römer kaputt, der sich aber auch nach kurzer Zeit als Fehlschlag erwies. Ich organisierte dann am Wall in der Pizzeria Napoli Konzerte, tja, und am Pub interessierte mich der schöne hintere Saal. Alle, die hier spielten, von Joachim Kühn bis Lou Donaldson, mochten die gute Atmosphäre und spielten zu Konditionen, die man gar nicht weitersagen darf. Der «Pub‚ ließ sich aber nach 1984 nicht weiter betreiben, weil mich einfach der Dauerstreß der vier Berufe Handwerker-Musiker-Kneipier-Konzertorganisator überforderte.

War früher das Publikum ein anderes?

Es gab eigentlich kein besseres oder schlechteres Publikum. Das normale Publikum will immer das hören, was es schon kennt. Da fangen die Probleme an. Aber ich setze sehr viel Hoffnung auf die jüngeren Leute, die heute interessierter und offener sind, obwohl es jüngere Musiker gibt, denen ich musikalisch einfach nicht folgen kann. Was spielen die sich eigentlich für Zeugs zusammen?

Was sind Deine Zukunftspläne?

Ich will jetzt verschärft Klavier spielen und übe wieder täglich, den Ehrgeiz hab' ich noch!

Wir danken für das Gespräch und wünschen, dass Du zu Hochform aufläufst!

(Interview von Ingo Ahmels aus der fürheren Bremer Stadtillustrierten «KursBuch‚ XI/1989)

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