: Langfristig Aktien
Die Stiftung Warentest hat die langfristige Wertentwicklung von Aktienund Fonds untersucht. Fazit: Aktien sollte man nur mit „Spielgeld“ kaufen
Die erste Million ist die schwerste. Behauptet jedenfalls, wer sie hat. Andere wären schon mit der Hälfte oder weniger zufrieden. Aktien können reich machen. Behauptet jedenfalls, wer daran verdient. Doch welche Aktien soll man kaufen, um damit reich zu werden? Diese Frage beschäftigt laut Erhebungen inzwischen rund 18 Prozent aller Deutschen. Eine Antwort darauf – auch wenn es frustrierend ist – gibt es nicht. Denn ein Aktienkauf ist immer mit Risiken verbunden, die letztlich niemand beeinflussen kann.
Die Stiftung Warentest hat jetzt die Wertentwicklung von Aktien und Aktienfonds für die Dauer der letzten zehn Jahre untersucht. Ergebnis: Wer sich auf die langfristige Anlage in Aktien einlässt, muss einen guten Schlaf haben. Unter den Dax-Werten von Adidas bis VW gebe es keine dauerhaften Gewinner, so die Untersuchung. Während der Dax selbst im Zeitraum vom 31. 5. 99 bis 31. 5. 00 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum eine Wertentwicklung von 40,2 Prozent aufwies, lag die Siemens-Aktie bei 146,4 Prozent und war damit Spitzenreiter. Im Verlauf der letzten zehn Jahre verzeichnete das Wertpapier dieses Unternehmens einen Gewinn von 17,6 Prozent pro Jahr (Dax: 14,4 Prozent). Bayer lag demgegenüber im letzten Jahresvergleich mit 13,5 Prozent deutlich unter dem Dax, im 10-Jahres-Verlauf hingegen mit 14,7 Prozent knapp darüber. Der Gewinn der BMW-Aktie in den letzten zehn Jahren erreichte knapp den Siemens-Gewinn. Im letzten Jahresvergleich liegt BMW rund 1 Prozent unter dem Dax-Gewinn. Also: Mit der Strategie, Aktien zu kaufen und sie dann einfach eine Weile nicht mehr zu beachten, kann man gut fahren – oder schlecht. „Die richtige Auswahl und das Timing bestimmen die kurzfristigen Ergebnisse“, resümiert die Stiftung. Ein bisschen darum kümmern sollte sich also schon, wer mit einzelnen Titeln arbeitet.
Will man sich über die Zusammensetzung seines Depots weniger Gedanken machen, kann man in einen Fonds investieren. Dann nehmen die Fondsmanager dem Anleger die Herausforderung, den Dax zu schlagen, ab. Immerhin sechs schafften es im Vergleich der letzten zehn Jahre. Spitzenreiter war der Baring German Growth Trust. Er lag mit einer jährlichen Wertentwicklung von 22,3 Prozent mit rund 8 Prozentpunkten darüber. Für Fonds spricht, dass ihre Manager den ganzen Tag nichts anderes tun (sollten), als sich um die Beobachtung des Marktes zu kümmern, um Aktienkäufe und -verkäufe. Wer hier investiert, streut sein Kapital, was bei geringem Risiko gute Gewinnchancen verspricht. Das hat allerdings auch seinen Preis. Kritiker sind der Meinung, dass „die Banken, denen die meisten Fondsgesellschaften gehören, die Unwissenheit der Anleger ausnutzen und sogar vorsätzlich für wenig Transparenz sorgen“, heißt es bei der Stiftung Warentest. Gebühren seien zu hoch, es fehlten Leistungsvergleiche, Banken und Fondsgesellschaften seien zudem gar nicht an der Wertentwicklung interessiert, sondern vor allem an den Transaktionskosten.
Doch all dies sagt letztlich nichts darüber aus, wie man sich künftig bei der Anlage in einzelne Werte oder Fonds verhalten soll. Denn sicher lassen sich Aktiengewinne und -verluste nur im Rückblick erkennen. Deshalb macht es Sinn, einige Grundregeln im Umgang mit Wertpapieren zu beherzigen. „Legen Sie nur den Teil Ihrer Ersparnisse in Aktien an, über den Sie nicht kurzfristig verfügen wollen oder müssen“, rät das Deutsche Aktieninstitut (DAI). Eine alte Börsenregel lautet: Zu niedrigen Kursen kaufen, zu hohen Kursen verkaufen. Deshalb solle man sich „die Unabhängigkeit schaffen, den Kauf- und Verkaufszeitpunkt selbst bestimmen zu können“. Notverkäufe enden häufig mit Verlusten.
Auch sollte man sich das Unternehmen genau anschauen, dessen Aktien man kaufen möchte. Denn entscheidend ist letztlich die künftige Ertragsentwicklung. „Solide Finanzierung versetzt ein Unternehmen in die Lage, neue Marktchancen zu nutzen“, so das DAI. Informationen dazu bieten neben dem Geschäftsbericht vor allem die Tages- und Wirtschaftspresse. Achtung: „Meiden Sie nichtnotierte Werte, die über Zeitungsannoncen, durch Postwurfsendungen oder per Telefon angeboten werden.“
Wer das Investment auf verschiedene Papiere und Branchen streut, mindert das Risiko: Nie alles auf eine Aktie setzen. Andererseits kann man leicht die Übersicht verlieren, wenn das Depot von zu vielen verschiedenen Titeln überquillt. Das tägliche Beobachten aller Titel ist zeitaufwendig, gleichwohl nötig, „um die Zusammensetzung des Depots der wirtschaftlichen Entwicklung anzupassen“, so das DAI.
Wer auf den richtigen Zeitpunkt für den Kauf und Verkauf von Aktien wartet, wartet ewig: Es gibt ihn nicht. Kurse können zwar theoretisch immer noch tiefer sinken, so dass man bestens einkauft – aber eben auch zuvor wieder steigen. Gleiches gilt beim Verkauf. Die Fachleute vom DAI raten: „Hat man mit einer Aktie einen schönen Kursgewinn erzielt, sollte man sich ruhig einmal von einem Papier trennen. Nur realisierte Gewinne sind echte Gewinne.“ Aber selbst die Spezialisten müssen zugeben: „Ein sicher funktionierendes System zur Kursprognose hat bis heute noch niemand gefunden.“ ALO
Informationen über die langfristige Anlage in Aktienfonds sowie Aktien der großen deutschen Unternehmen und deren Verlauf der letzten zehn Jahre findet man in Finanztest 8/00, zu beziehen bei der Stiftung Warentest, Vertrieb, Postfach 810660, 70523 Stuttgart;7 Mark plus 3 Mark Versand.
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