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Filmen und leben im Juli

Wie selbstverständlich das Miteinander von Deutschen und Türken sein kann: Mit dem Film „Der schöne Tag“ komplettiert der Berliner Regisseur Thomas Arslan seine Trilogie über den Alltag junger Berliner Türken. Ein Drehbericht

von JANA SITTNICK

Es ist ein schöner Julitag, mit Sonnenschein, Temperaturen um die fünfundzwanzig Grad, und hin und wieder weht ein laues Lüftchen. Vor dem Café „Gottlob“, Akazien- Ecke Vorbergstraße, trifft man an diesem Tag Menschen mit ernsten Gesichtern. Sie sperren das Gelände ab, tragen Kabel und Kaffeekannen aus Mietbussen, verkleben die Fenster des Cafés mit Folie und hantieren mit Funksprechgeräten. Der Julitag zieht unbemerkt an ihnen vorbei, sie arbeiten hart und haben keine Zeit, die Sonne zu betrachten. Sie drehen einen Film, er heißt „Der schöne Tag“.

Regisseur Thomas Arslan erzählt in seinem Film einen Tag aus dem Leben einer jungen Berliner Türkin. Die zwanzigjährige, in Kreuzberg lebende Deniz (Serpil Turhan) läuft durch den Tag und erlebt Alltägliches. Sie trennt sich von ihrem Freund, redet mit der Schwester über die Liebe, sorgt sich um ihr berufliches Fortkommen, ärgert sich mit Halbwüchsigen herum. Als sie eine anderen Mann trifft, lässt sie sich nicht auf eine Romanze ein. Ihre Begegnung mit Diego verliert sich im Dickicht der Stadt, bevor sie feste Konturen erhält.

Thomas Arslan, der an der DFFB studierte, komplettiert mit „Der schöne Tag“ eine Trilogie, die den Alltag junger türkischer Berliner darzustellen versucht. Dabei vermeidet der Achtunddreißigjährige jene soziologisch-konfliktorientierte Perspektive, wie sie in der Diskussion um die so genannte multikulturelle Gesellschaft gern eingenommen wird. Arslan geht es in seinen Filmen vielmehr um die Normalität des Neben- und Miteinanders der deutschen und der türkischen Kultur.

1996 drehte Arslan „Geschwister“, 1998 folgte „Dealer“. Gegenwärtig entsteht, pünktlich im Zweijahresrhythmus, der dritte Teil, finanziert vom ZDF und dem Filmboard Berlin-Brandenburg, der im Frühjahr 2001 fertig sein wird. Die drei thematisch verbundenen Filme, in denen zum großen Teil dieselben Darsteller in wechselnden Rollen agieren, erzählen separate Geschichten, die inhaltlich nicht miteinander verbunden sind.

Kreuzberger Tage

Fokussiert „Geschwister“ den Kreuzberger Alltag dreier Teenager – zwei Brüder, eine Schwester – mit den passenden Generations- und Selbstbehauptungsproblemen, so handelt „Dealer“ von einem jungen Mann auf dem Verlierergleis, der sein Geld mehr schlecht als recht mit Drogenhandel verdient.

Von Deniz alias Serpil und ihrem Regisseur ist an diesem Tag leider nichts zu sehen. Sie drehen im hinteren, für alle nicht unmittelbar Beteiligten gesperrten Teil des Cafés. Die Szene wird oft geprobt und wiederholt, bis sie „im Kasten“ ist. Das kann etliche Stunden dauern. Das ist anstrengend, weil immer wieder dieselben Abläufe wiederholt werden, weil man nur in kleinen Schritten vorankommt, weil jede Verzögerung Geld kostet. Das Warten auf den gelungenen Dreh zermürbt. Die Presse muss vorn bleiben, am Tresen, und quetscht sich zwischen die Taschen der Ausstatterin und das Zeitschriftenfach. Draußen auf der Straße steht ein großer, blonder Mann mit Walkie-Talkie und hält den Fußweg frei. Er muss die Passanten dazu bewegen, die andere Straßenseite zu benutzen, damit sie nicht durch das Szenenbild laufen. Die Leute schauen erst verstört, dann lächeln sie.

Die Zeit im Nacken

Der Assistent des Aufnahmeleiters ist sehr freundlich. Drinnen sitzen die Komparsen und spielen Cafébesucher. Die Regieassistentin sagt ihnen, was sie tun sollen – sich unterhalten, Zeitung lesen, Orangensaft trinken.

Dann ist es so weit: Der Aufnahmeleiter sagt: „Ruhe bitte, wir drehen jetzt!“ Niemand im Lokal darf sich bewegen, kein zusätzliches Geräusch darf hörbar sein. Wenn jetzt ein Handy klingeln würde, wäre das sehr unangenehm. Mindestens genauso unangenehm wie bei einer Sterbeszene im Theater.

Nach dem Dreh darf kurz geruckelt und geraschelt werden, der Barmann wirft den Milchschäumer an. Drei Minuten später wieder Redeverbot. Draußen fährt plötzlich ein BSR-Fahrzeug mit knappen zehn Stundenkilometern vorbei. Der Aufnahmeleiter schaut durch die Scheibe zum Assistenten, der blickt zurück und lächelt schief. Beide Männer sagen kein Wort. So was passiert, das ist höhere Gewalt.

Für die Presse aber hat niemand Zeit an einem Drehtag, dessen Timing aus den Fugen geraten ist. Der Interviewtermin mit Thomas Arslan und Serpil Turhan platzt. Bei einem zweiten Versuch an einem heißen Augusttag im Tiergarten gelingt es. In der Mittagspause sagt der Regisseur, er wolle die Anwesenheit der jungen Türken in dieser Stadt als etwas Selbstverständliches zeigen und keinen Problemdiskurs über deutsch-türkische Identität. Hauptdarstellerin Serpil Turhan spricht von einem „ganz normalen“ Leben mit zwei Kulturen, die nicht als Konflikt „breitgetreten“ werden müssten. Das sei langweilig, das will niemand im Kino sehen.

Sie schwärmt von London, wo die unterschiedlichsten Menschen leben und nicht ständig darüber reden. Sie ging dort sieben Monate zur Schule und studiert dort vielleicht auch Schauspiel. Jetzt aber müsse sie gehen und für die nächste Szene proben. Die Zeit sitzt den Filmleuten im Nacken wie die Mittagssonne, die unbarmherzig auf die Kieswege im Tiergarten knallt.

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