Blind für den Euro

In Kursen wird Menschen, die nicht sehen können, beigebracht, Währung zu ertasten  ■ Von Herdis Lüke

Was schon für Sehende eine große Umstellung sein wird, ist für Blinde und Sehbehinderte eine gigantische Herausforderung: Die Einführung des Euro. „Das wird kein Spaziergang“, erklärt Hans Kaltwasser, Projektleiter beim Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) beim ers-ten Seminar für „Euro-Trainer“ beim DBSV-Landesverein in Hamburg. Mitarbeiter in rund 250 Bezirksgruppen wird Kaltwasser in den nächsten vier Monaten auf ihre Aufgabe als „Euro-Multiplikator“ vorbereiten. Rund 155.000 Blinde und Sehbehinderte in Deutschland müssen sich mit der neuen Währung vertraut machen und die einzelnen Münzen und Scheine mit ihrem Tastsinn unterscheiden lernen.

Um auch den sehenden Teilnehmern die Schwierigkeiten eines Blinden zu verdeutlichen, verpasst Kaltwasser ihnen eine Simulatorbrille, die keine Umrisse und kaum noch Farben, nur Hell und Dunkel erkennen lässt. Vor ihnen liegt je ein Haufen von Scheinen und Münzen, die es zunächst einmal nur nach Größe paarweise zu sortieren gilt. Geschickt nimmt Annegret Walter (59) einen Schein nach dem anderen in die Hand, im Nu hat sie ihre Aufgabe ebenso wie ihre Kollegin Christine Becker (38) erledigt. Beide sind blind, Annegret Walter seit 20 Jahren, Christine Becker von Geburt an. Die „Sehenden“ schneiden bei der Übung schlecht ab: Ihr Tastsinn ist bei weitem nicht so ausgeprägt.

In Zusammenarbeit mit den europäischen Verbänden wurde das neue Bargeld nach Darstellung von Kaltwasser „sehr blindenfreundlich“ gemacht. So hätten sich die Verbände zwar nicht mit ihren Forderungen durchgesetzt, dass die Euromünzen mit steigendem Wert im Durchmesser größer werden. Aber die Reliefprägung, eine verschiedene Riffelung am Rand und ein nach Wert zunehmendes Gewicht hätten sich bei Tests bewährt. Die neuen Scheine werden bis zur 100-Euro-Noten immer größer. Bei Zweihunderten und Fünfhunderten sollen Taststreifen am Rand den blinden Menschen die Unterscheidung erleichtern.

„Für junge Leute mag das Training für die Umstellung okay sein. Aber für Ältere wird das eine Katastrophe“, resümiert Becker, die im Landesverein als Sozialarbeiterin Leidensgenossen betreut. Was den Blinden am meisten Sorgen bereite, sei der Verlust von Anhaltspunkten in der Werteskala, wenn die D-Mark von Januar 2002 an endgültig aus dem Alltag verschwindet. Umrechnungstabellen seien in Punktschrift oder in Großdruck sehr unpraktisch.