US-Amerikaner in Jolo entführt

Manilas Chefunterhändler Aventajado bestätigt die Geiselnahme eines US-Bürgers durch die südphilippinischen Abu-Sayyaf-Rebellen. Derweil heimst Libyens Führung internationales Lob für ihre Hilfe bei bisherhigen Geiselfreilassungen ein

von HUGH WILLIMANSON (Manila) und SVEN HANSEN (Berlin)

In den Südphilippinen dreht sich das Geiselkarussell. Während die am Wochenende freigelassenen sechs westlichen Geiseln gestern in der libyschen Hauptstadt Tripolis eintrafen, hat die philippinische Regierung die Entführung eines weiteren Ausländers durch Abu-Sayyaf-Rebellen bestätigt. Der 24-jährige US-Amerikaner Jeffrey Craig Edwards Schilling sei am Montag in der Stadt Zamboanga im Südwesten der Insel Mindanao entführt worden, sagte der Chefunterhändler der Regierung in der Geiselkrise, Roberto Aventajado, in der Hauptstadt Manila. Schilling werde von Abu Sayyaf-Kommandeur „Radulan“ in Jolo festgehalten, berichtete Aventajado unter Berufung auf Mittelsleute auf der Insel.

Am Morgen hatte sich ein als Abu-Sayyaf-Sprecher ausgebender Anrufer namens Abu Sabaya gegenüber der Radiostation DXRZ die Entführung von Schilling verkündet. Er bezeichnete den Afroamerikaner als „CIA-Agenten“ und drohte mit dessen Ermordung, sollten nicht drei in den USA wegen des Bombenanschlags auf das World Trade Center 1993 verurteilte Muslim-Extremisten freigelassen werden. Für die nächsten Tage kündigte Sabaya weitere Forderungen an.

Bisher haben weder die philippinische Polizei noch die US-Botschaft in Manila die Entführung bestätigt. Die Einwanderungsbehörde gab jedoch an, dass sich ein US-Bürger namens Schilling seit März im Land aufhält und mehrfach sein Visum verlängert habe. Die jüngste Entführung – die erste eines US-Amerikaners in der gegenwärtigen Krise – dürfte Befürchtungen weiterer Geiselnahmen verstärken, nachdem bisher hohe Lösegelder gezahlt worden waren. Abu Sabaya sagte gegenüber DXRZ: „Ein Amerikaner entspricht zehn Europäern.“

Unterdessen sind die sechs von einer libyschen Stiftung freigekauften westlichen Geiseln gestern in Tripolis von Angehörigen und Vertretern ihrer Regierungen begrüßt worden. Der Göttinger Lehrer Werner Wallert wurde von seinem Sohn Dirk und Staatsminister Christoph Zöpel begrüßt. „Zum libyschen Volk und zur libyschen Führung sage ich: danke“, so der SPD-Politiker bei einer Zeremonie. Den noch festgehaltenen Geiseln auf Jolo versprach er baldige Freiheit. Die Zeremonie fand in der Residenz des libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi statt und wurde live im libyschen Fernsehen übertragen. Auch die Regierungsvertreter anderer betroffener Staaten dankten Libyens Regierung, die sich von ihrem Einsatz eine Verbesserung ihres Images verspricht. Ausländische Journalisten beschwerten sich darüber, dass sie zum Besuch eines Gebäudes gezwungen wurden, dass 1986 von der US-Luftwaffe zerstört worden war.