piwik no script img

Abziehbildchen für den Herrenabend

■ „20 Jahre Filmförderung Hamburg“: Sönke Wortmanns Hamburg-Filme im Abaton

Nach Kleine Haie (1992) hatte der deutsche Film endlich wieder Hoffnung. Regie-Hoffnung. Und Sönke Wortmann enttäuschte die in ihn gesetzten Erwartungen nicht. Zumindest nicht, wenn man wie neulich wieder Klaus Filmminister Naumann auf Masse und Kasse schielt, mithin seine Hoffnungen an quantifizierbare Kategorien wie verkaufte Kinokarten hängt. So gehört Der bewegte Mann (1994) zu den größten Box-Office-Hits in deutschen Landen seit 1945. Es war die Zeit der hysterischen deutschen Komödien, und Wortmann holte das Millionenpublikum in den deutschen Film zurück, indem er eine einigende Sichtweise anbot.

All jenen, die sich durch Emanzen (Allein unter Frauen, 1991), Political Correctness (Der Campus) oder Schwule (Der bewegte Mann) bedrängt und verängstigt in die Ecke gestellt und marginalisiert sahen, gab er wieder sicheren Halt. Da war einer, der leichter Hand den Ballast des problematisierenden Autorenfilms über die Reling der Beschwernis warf und Otto Normalmacker zum Recht auf ungehemmtes Schenkelklopfen verhalf. Thomas Heinze, Heiner Lauterbach oder Til Schweiger sind Wortmanns role models der geknechteten Männlichkeit.

Sich auf alte Stärken besinnend, sprengt diese jene Ketten, die ihr Frauen, Gays und Intellektuelle ohne Cojones um die virilen Gliedmaßen schmiedeten. Lauterbach etwa entledigt sich dieser Fesseln, wenn er in St. Pauli Nacht über modische Essgewohnheiten herzieht, während es ihn zur bewährten Currywurst mit Pommes treibt. Nach Pulp Fiction war Episodisches Trumpf und mit seiner „Pauli Fiction“ zeigte Wortmann, dass auch er das filmische Fragment im Repertoire hat, ohne Tarantinos Lässigkeit zu erreichen.

Denn die Blutgrätsche ist das adäquate Mittel auf dem Wortmannschen Bolzplatz des Humors. Und wenn in Der Campus – der Verfilmung des Büchleins eines Hamburger Professors, der seinen literarischen Erguss ganz unverkennbar jenseits aller Eitelkeiten und Midlife-Krisenphänomene verfasste – „Eisen-Heiner“ wieder den Wortmannschen Vorstopper gibt, ist die Pointe plump und der Wirtshausdiskurs nah. Nun, die SpVgg Erkenschwick ist auch nicht die Équipe tricolore, Wortmann nicht Zidane, Niveau eine Frage von Stil, und die Hoffnung stirbt zuletzt. Die Hoffnung auf lässigen, scharfsinnigen und vielleicht subtilen Humor aus dem deutschen Sprachraum. Tim Gallwitz

Donnerstag im Abaton: 20 Uhr Der Campus, Gäste: Sönke Wortmann, Dietrich Schwanitz; 23 Uhr St. Pauli Nacht, Gäste: Sönke Wortmann, Frank Göhre

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen