: Wiedersehen vor Gericht
■ Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen mutmaßlichen Reemtsma-Entführer erhoben. Termin steht noch nicht fest
Einen Monat nach seiner Rücckehr in Handschellen nach Deutschland hat die Hamburger Staatsanwaltschaft Anklage gegen den mutmaßlichen Reemtsma-Entführer Thomas Drach erhoben. Das bestätigte gestern der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Rüdiger Bagger. Drach muss sich wegen erpresserischen Menschenraubs vor dem Landgericht verantworten. Im Falle einer Verurteilung drohen ihm bis zu 15 Jahre Haft. Ein Verhandlungstermin steht nach Baggers Angaben allerdings noch nicht fest.
Vor Gericht wird der 40-jährige Drach seine alten Komplizen Wolfgang Koszics, Peter Richter und Piotr Laskowski wiedertreffen. „Sie sind als Zeugen vorgesehen“, sagte Bagger. Alle drei Männer sind wegen der Entführung des Hamburger Multimillionärs Jan Philipp Reemtsma im März 1996 bereits verurteilt worden. Sie hatten Drach in ihren Aussagen vor Gericht belastet und ihn als Drahtzieher des Verbrechens bezeichnet. Während Koszics (1997 zu zehneinhalb Jahren Haft verurteilt) und Laskowski (1999 zu sechs Jahren verurteilt) noch in Haft sind, wurde der zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilte Richter bereits im September 1999 auf Bewährung entlassen.
Drach und seine Komplizen hatten bei der Entführung 30 Millionen Mark Lösegeld von Reemtsma erpresst. Der Rheinländer hatte sich nach Südamerika abgesetzt und war 1998 in Argentinien verhaftet worden. Erst Ende Juli war er nach Hamburg überstellt worden. Von dem Großteil des Lösegeldes fehlt bis heute jede Spur. Vor Gericht wird Drach vermutlich auch auf sein prominentes Opfer treffen. Der Millionär und Mäzen hatte nach der Entführung gesagt: „Ich würde die Täter gerne vor Gericht haben. Ich würde denen gerne ins Auge sehen.“
Thomas Drach war bereits im Alter von 13 Jahren kriminell geworden. In Erftstadt bei Köln stahl er Autos. Als 18-Jähriger überfiel er einen Supermarkt und wurde dafür zu einer Jugendstrafe verurteilt. Drei Jahre später stand Drach wegen Diebstahls wieder vor Gericht. Kurz bevor er die Strafe antreten sollte, raubte er gemeinsam mit seinem Bruder eine Bank aus. Dafür wurde Thomas Drach 1982 zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt.
Nach seiner Entlassung 1990 soll der heute 40-Jährige in dunkle Geschäfte in Osteuropa und Deutschland verwickelt gewesen sein. Im Kölner Ganovenmilieu war er damals ebenso zu Hause wie in Budapest. Seit 1995 soll Drach, der damals von der Polizei wegen schweren Diebstahls und Urkundenfälschung gesucht wurde, den Coup seines Lebens geplant haben: Die Reemtsma-Entführung. lno
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