: „Dazwischen liegen Galaxien“
Erst Junkie, jetzt James Joyce: Ein Gespräch mit Ewan McGregor über seine Rolle im Film „Nora“, Laserschwerter, Künstlerehen und den Nabel der WeltInterview: KATJA NICODEMUS
taz: Sie haben durchgeknallte Independent-Rollen gespielt, Sie sind das Sexsymbol des neuen britischen Kinos, und Sie wurden als junger Obi-Wan Kenobi zum Superstar. Jetzt spielen Sie James Joyce, den vielleicht intellektuellsten aller Schriftsteller. Hatten Sie eine Sinnkrise?
Ewan McGregor: Vielleicht. Ich habe auch das Gefühl, dass es meine erste erwachsene Rolle ist. War ja auch Zeit, mit 29-mal einen richtigen Mann zu spielen. Einen, der ganz offensichtlich lesen und schreiben kann.
Andererseits spielt Joyces Schriftstellerdasein in „Nora“ keine allzu große Rolle. Dafür steht die Liebesgeschichte zwischen James und Nora Joyce im Vordergrund. Und es gibt jede Menge deftigen Sex Talk.
Der Film heißt ja auch „Nora“. Und der Schriftsteller hat uns dabei gar nicht so sehr interessiert. Das wäre ein anderer Film. Mir ging es auch als Produzent um diese irre Liebesgeschichte. Und sie war genau deshalb so verrückt, weil Joyce nicht nur bei seinem Schreiben, sondern auch im Verhältnis zu seiner Frau einen absoluten Anspruch hatte – auf Wahrhaftigkeit und Tiefe. Wenn man Joyce’ Briefe liest, wird klar: Die beiden taten es einfach unglaublich gerne. Sie stritten und kämpften mit der gleichen Kraft, mit der sie sich liebten.
Einmal sagt Nora im Film: „Ich verstehe nicht die Hälfte von dem, was er zu mir sagt.“ Schlägt da nicht das Klischee der intellektuell unterlegenen und dafür sinnlichen Muse durch?
Aber so war es nun mal. Er brauchte sie, und sein Gefühl für sie war nicht zuletzt Antrieb seines Schreibens. Es muss auch sehr frustrierend gewesen sein, dass sie vieles, was er schrieb, gar nicht las. Vielleicht war es für die Beziehung auch irgendwie elementar, dass sie außerhalb seiner literarischen Welt blieb. Ich glaube, was sein Schreiben betraf, genügte er sich fast selbst, anders hätte er es wohl nicht ausgehalten, jahrelang keinen Verleger zu finden. Es ist überhaupt ein Alptraum, mit einem Künstler zusammenzuleben, auch mit einem Schauspieler. Da sollten Sie mal meine Frau fragen.
Präzisieren Sie.
Letztes Jahr habe ich Theater gespielt. Man kann einfach kein normales Familienleben führen, während man so was tut. Man steht jeden Abend vor zighundert Leuten und verausgabt sich. Danach kann man nicht einfach sagen: „Tschüssi, das war’s für heute, bis morgen dann!“ Ich kann es jedenfalls nicht, ich bin danach bis zum Hals voll mit Adrenalin und kann nicht einfach nach Hause gehen. Deshalb kann ich mir ganz entfernt vorstellen, wie Joyce gelebt hat – in aller Bescheidenheit.
Wie war Ihre Leseerfahrung von „Ulysses“?
Sehr interessant, hab’s ziemlich schnell gelesen (lacht). Äh, nein, ich habe „Portrait of the artist as a young man“ und „Dubliner“ und die Briefe gelesen und mir viele Fotos angesehen. „Ulysses“ hebe ich mir für einen langen, verregneten Tag auf.
„Nora“ ist der erste Film, den Sie mit produzieren.
Das ist ein altes Projekt, dafür habe ich ja auch die Firma Natural Nylon mitbegründet. Ja, es hat etwas mit Unabhängigkeit zu tun. Sie können es auch Selbstverwirklichung nennen. Als Schauspieler begreife ich mich auch als Geschichtenerzähler. Und Produzieren ist noch mal eine andere Ebene des Geschichtenerzählens. Außerdem ist nach dem Dreh nicht alles zu Ende. Und man lernt, als Schauspieler auch ein wenig Distanz zu sich selbst zu gewinnen. Nicht zuletzt habe ich auf dem Set auch mehr Macht, was Vorschläge und Veränderungen betrifft. Als Schauspieler ist man sonst oft nur der letzte Hansel, gerade bei kleinen Independent-Produktionen, wo denen das Geld knapp ist.
Sie haben überhaupt eine eher eklektizistische Rollenauswahl: „Star Wars“, „Trainspotting“, James Joyce . . .
Wie mein alter Freund Obi-Wan Kenobi sagen würde: Da liegen ganze Galaxien dazwischen. Allerdings gehe ich immer von der Story aus.
Auch bei „Star Wars“?
Nein, da nicht. Das war einfach ein Kindertraum.
Was hat Sie daran am meisten beeindruckt?
Als man mich bat, mir ein Laserschwert auszusuchen. Für mich war das wie ein ritueller Akt. Meines ist viel sexyer als das von Liam Neeson. Und die Kämpfe haben mir dann großen Spaß gemacht. Leider habe ich aber das Geräusch des surrenden Laserschwerts immer ganz leise imitiert, das musste dann alles digital wieder gelöscht werden.
Waren Sie am Ende desillusioniert?
Natürlich wird einem irgendwann klar, dass das alles infantil ist. Trotzdem: Als ich R2D2 zum ersten Mal traf, kam ich mir vor, als begegnete ich einer Königin.
Sie haben einige glamouröse Vögel gespielt. Nach „Velvet Goldmine“ von Todd Haynes bekamen Sie in Großbritannien das Prädikat „Anti-heroe of the post-punk-but-still-pissed-off-Generation“.
So einen Titel muss man sich erst mal verdienen! Aber ich habe auch supersanfte Charaktere gespielt: In Mark Hermans „Little Voice“ bin ich nur um meine Tauben besorgt.
Wahrscheinlich sind die anderen Rollen einfach einprägsamer, etwa wenn Sie in „Velvet Goldmine“ als Iggy-Pop-Verschnitt Curt Wild bei einem Rockkonzert Ihre Hosen fallen lassen und auf der Bühne mit Ihrem Schwanz herumwedeln.
Das war ganz spontan. Da ging die Figur mit mir durch, und ich habe es geschehen lassen. Na ja, vielleicht habe ich eine exhibitionistische Ader, man nennt das, glaube ich, strip-happy. Aber bitte: Immer im Dienste der Sache. Das gilt für Greenaways „The Pillow Book“ genauso wie für die anderen Filme.
Es soll schon zehn unautorisierte Biographien über Sie geben. Wie kommen Sie damit zurecht, ein Superstar zu sein?
Ich arbeite nicht für meine Berühmtheit. Seinen Namen auf ein Stück Papier zu kritzeln, damit jemand anderes damit beweisen kann, dass er Sie getroffen hat, ist doch das blödeste, was es gibt.
Britische Schauspieler scheinen überhaupt ironischer mit Ruhm umzugehen und eher auf dem Boden zu stehen?
Es gibt in England eine sehr starke Theatertradition. Man lernt von anderen Schauspielern, die man bewundert, und fühlt sich schon deshalb nicht als Nabel der Welt. Ganz alleine auf der Bühne zu stehen und die Reaktionen von Hunderten von Menschen mitzubekommen ist ein Gefühl, bei dem man sich gleichzeitig ganz groß und ganz klein fühlt. In den Staaten kann man zum Superstar werden, ohne eins und eins zusammenzählen zu können, nur weil man in einem bestimmten Film mitgespielt hat. „Star Wars“ oder nicht, ich weiß, was ich kann und gelernt habe.
Was war Ihre letzte Theaterrolle?
„Der kleine Malcolm kämpft gegen die Eunuchen“. Es ist ein sehr schräges Stück aus den Sixtys. Hätte ich „Hamlet“ gespielt, wären alle gekommen, um Ewan McGregors Hamlet zu sehen. Deswegen sollte es lieber eine kleine, schöne Geschichte sein. Ich muss mir auf dem Theater nichts beweisen. Cause I’m just fuckin fantastic!
Wie kamen Sie eigentlich vor Jahren dazu, die Sicherheitsanweisungen für die Fluglinie Virgin Airlines zu sprechen?
Ach, ich kannte einen Agenten, der so nett war, dass ich diese Arbeit auch noch gemacht habe, als ich sie lange nach „Trainspotting“ gar nicht mehr brauchte. Der letzte war ein Reklamespot für Sicherheitsgurte auf dem Rücksitz. Am Anfang gab es ein ekelhaftes Splittergeräusch: Krrrrrrk. Dazu sage ich ganz sanft: „Das ist das Geräusch eines Unterschenkelknochens, der gegen den Vordersitz kracht.“ Dann ein noch widerlicheres hohles Geräusch. Und ich noch sanfter: „So hört es sich an, wenn die Person auf dem Rücksitz den Fahrer tötet, weil ihr Kopf auf seinem zerschmettert.“ So kann ich immer mein Geld verdienen, auch wenn die Amis mich irgendwann auf den Müll schmeißen.
Zitate:
SEX IM HAUSE JOYCE„Wenn man seine Briefe liest, wird klar: Die beiden taten es unglaublich gerne“
NACKTHEIT IM FILM„Vielleicht hab ich eine exhibitionistische Ader, man nennt das strip-happy“
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