: Finanzspritze für Medienjunkies
Happy Hour in der Medienwirtschaft: In Babelsberg streiten sich die Botschafter potentieller Medienstandorte, wer den begehrten Investoren Obdach gewähren darf. Denn das bedeutet Arbeitsplätze, Geld und Image. Die Konkurrenz schläft nicht
von STEFFEN GRIMBERG
Auch Dortmund war mal Medienmetropole. Segnungen der bundesdeutschen TV-Landschaft wie der Musikkanal Onyx kamen aus der ehemaligen Kohlestahlbierstadt, landesweites privates Regionalfernsehen sollte im Herbst via Kabel auf Sendung gehen. Doch dann umwarb das übermächtige Köln die Videoclip-Abspieler – Onyx sendet jetzt vom Rhein, und vergangene Woche ging auch NRW 1 erst einmal baden: Die zuständige Düsseldorfer Landesanstalt für Rundfunk zog ihre Zusage, den Sender bevorzugt in die Kabelnetze des bevölkerungsreichsten Bundeslandes einspeisen zu lassen, einstweilen wegen zu geringer Programmaufwendungen der NRW-Fernsehmacher zurück. Dortmund bleibt das Sat.1-Regionalstudio. Immerhin.
Beim Wettbewerb um die Zukunftsbranche Medien und vor allem um deren Glamour-Abteilungen Film und Fernsehen waren die Kontrahenten nie zimperlich. Allen voran in Nordrhein-Westfalen. Schon als Wirtschaftsminister gefiel sich Wolfgang Clement als TV-Ansiedler, Medienpolitik wurde Standortpolitik, Finanzspritzen aus Landesmitteln – egal ob direkt, indirekt oder verdeckt – förderten die Entscheidungsfreudigkeit der Medienkonzerne. Den Sendern folgten Produktionsfirmen und Dienstleister von Studiobetrieben bis zu Casting-Agenturen, auch andere Städte jenseits der etablierten TV-Metropole Köln durften zeitweise mitspielen – und „jeder brachliegende Flugplatzhangar sollte ein Zentrum für Filmproduktion werden“, lästert heute RTL-Übervater Helmut Thoma.
Er muss es wissen, schließlich vertritt er seit seinem Abschied als Geschäftsführer von Deutschland erfolgreichstem Privatsender die medialen Interessen des Bundeslandes NRW als Berater von Ministerpräsident Clement. Und außerdem wird auf dem ehemaligen Flughafen Köln-Ossendorf immer noch an dem gebaut, was einmal Europas größter TV-Studiokomplex werden will.
Die Lage auf dem Fernsehmarkt ist mittlerweile verhältnismäßig übersichtlich: Köln (RTL-Familie und WDR) und München (Bayerischer Rundfunk, Kirch-Gruppe) liegen vorn, die traditionell ebenfalls starken Standorte Hamburg und Berlin haben sich für die anstehende Aufholjagd zum „Tandem“ vereint, das „jetzt mit Leben gefüllt werden“ soll, wie es der seit Juli amtierende gemeinsame Medienbeauftragte für Berlin und Brandenburg, Bernd Schiphorst, formuliert.
Das mehr als schiefe Bild, von Schiphorst diese Woche auf der internationalen Konferenz für Film- und Fernsehproduktion „Babelsberg 2000“ geprägt, passt zu einer Branche, die bei aller Hofierung durch die hohe Politik erstaunlich wenig über sich weiß: Dieter Kosslick, designierter Berlinale-Leiter und als Chef der Filmstiftung NRW einer der größeren staatlich alimentierten Geldverteiler im Kino- und TV-Geschäft, monierte bei seinem Eröffnungsvortrag denn auch die unklare Datenlage. Zwar existieren Studien zuhauf, doch die sind durchweg Auftragsproduktionen einer Landesregierung, eines Senders oder sonstwie vorbelasteter Institutionen – und entsprechend eingefärbt. So ernennt man sich reihum zum Medienstandort Nummer eins, und wo das Fernsehvolumen nicht ausreicht, werden alle Druckereibetriebe oder neuerdings auch Call-Center mitgezählt, damit auch Baden-Württemberg mal vorne liegt. „Es gibt Bundesländer, die sollten’s lassen“, so Helmut Thoma, beim Standort-Panel von „Babelsberg 2000“ für den Spott zuständig, „hier zählt doch nicht der olympische Gedanke, es geht um sinnvollen Wettbewerb.“
Doch die kleinen Standorte haben gelernt: Auch wenn bei „Babelsberg 2000“ hier und da das alte Konkurrenz- und Neidgeplänkel aufschien und Brandenburgs Wirtschaftsminister Wolfgang Fürniß über die schlechten Ausgangsbedingungen der Region Berlin-Brandenburg jammern durfte, bemühten sich Schiphorst und der Bald-Berliner Kosslick um Harmonie. Kooperation sei der neue Schlachtruf, gab sich der sonst eher kämpferische Filmstifter handzahm, sonst gehe das „Medienwunderland Deutschland“ mitsamt seinem Standortwahn im künftig viel internationaleren Wettbewerb baden. Davon wollte Erwin Huber, Medienstaatsminister aus Bayern, wenig wissen: „Nur der Wettbewerb ist die Triebfeder für Höchstleistungen.“ Und deshalb forderte Huber wie immer die weitere Deregulierung und Liberalisierung der Medienwirtschaft.
Dabei wird Fernsehen eine deutlich geringere Rolle spielen. Zwar schien mit Rupert Murdoch 1998 noch einmal Bewegung in die hübsch aufgeteilte TV-Landschaft gekommen. Doch nach dem tm-3-Debakel ist auch Murdoch hinlänglich vereinnahmt, und alles bleibt, wie es ist: Wettbewerb sei eben immer nur so lange angesagt, wie es etwas zu verteilen gibt, sagte Thilo Kleine, Geschäftsführer von Deutschlands Produktionskraken Bavaria, die über Tochterfirmen an allen Standorten aktiv ist. Sein Problem: „Wo finden wir unser künftiges Wachstumspotenzial?“
Und: Wem gehören die Inhalte? Zumindest Letzteres kann sofort beantwortet werden: Im Zweifelsfall immer Kirch und Bertelsmann.
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