: „Zum Frühstück fünf Anrufe“
Tarek Al-Wazir, grüne Nachwuchsgröße, über Polemik im Parlament und seinen CDU-Kollegen, der ihn lieber in der Hauptstadt des Jemen sähe als im Landtag von Hessen
taz: Tumult im Landtag nach dem Zwischenruf des CDU-Abgeordneten Clemens Reif: Geh zurück nach Sana’a! Wie fühlt man sich nach einem solchen Angriff?
Tarek Al-Wazir: Jetzt besser. Ich komme nicht zum Frühstücken. Allein auf dem Weg zum Bäcker habe ich fünf Solidaritätsanrufe bekommen.
Wie haben Sie gestern reagiert?
Ich habe denen, die mir sagen wollten, ich solle wieder dahin zurückgehen, wo ich hergekommen bin, gesagt: Die Wahrheit über den CDU-Schwarzgeldskandal tut auch dann weh, wenn sie von jemandem aus Offenbach ausgesprochen wird.
Haben Sie den Zwischenruf eigentlich verstanden?
Ich hab Sana’a gehört, sonst nichts. Aber als ich dann die Aufregung der Abgeordneten im Plenum gesehen habe, war mir schon klar, da ist irgend etwas.
Sie teilen ja auf dem Rednerpult auch gut aus.
Ja, das stimmt. Ich bin auch nicht derjenige, der auf harte Bandagen verzichtet. Aber bestimmte Grenzen sollten gewahrt bleiben. So was kommt zustande, weil die Hessen-CDU mit dem Rücken zur Wand steht. Das ist psychologisch zu erklären. Seit acht Monaten kommt jede Woche etwas Neues heraus. Wenn es noch irgendwelche Kriterien von politischem Anstand oder Moral gäbe, dann wäre Roland Koch schon längst zurückgetreten. Und wenn man denen das unter die Nase reibt, das schmerzt sehr. So ein Zwischenruf kommt auch deshalb zustande, weil sie dann versuchen, etwas zu finden, das auch weh tut.
Die CDU hat sich doch im Grunde selbst geschadet.
Ja, ich habe das gestern Abend noch mit dem Abgeordneten Reif geklärt. Er hat mir gesagt, er habe es nicht beleidigend gemeint.
Ist Ihnen so etwas im Landtag denn schon einmal passiert?
In der Form noch nicht. Die Sitten im Hessischen Landtag sind traditionell ziemlich rauh. Und seit dem CDU-Skandal besonders rauh. Das Klima ist vergiftet. Aber das war eine neue Qualität. Es ist die Grenzüberschreitung, die diesen Zwischenruf so besonders gemacht hat.
Und das zwei Tage nach der Plenardebatte über den Rechtsextremismus in Deutschland?
Das ist das, was mich so besonders erschüttert hat. Die CDU hat zwei Tage zuvor gesagt, man solle das alles nicht so dramatisieren. Und ich habe daraufhin gesagt, der Rechtsextremismus ist in der Mitte der Gesellschaft viel präsenter, als viele das wahrhaben wollen. Und dann so etwas. Da kommt man natürlich ins Grübeln.
Aber ich habe beschlossen, ich rege mich darüber nicht mehr so sehr auf, sondern mache einfach weiter das, was dazu geführt hat, dass es einen solchen Zwischenruf gegen mich gab: Im CDU-Schwarzgeldskandal gibt es Verantwortliche, und die müssen endlich auch die Verantwortung übernehmen.
INTERVIEW: HEIDE PLATEN
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen