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kabolzschüsseAuf der Suche nach Berlins randigster Randsportart

Kanupolo

taz-Autoren, von der Krise der Zeitung in besonders schlimmer Weise betroffen, weil ohne Essenmarken, finden beim Kanupolo ihr Eldorado, ihr Paradies, ihr Walhall, was soll man sagen: den heiligen Gral. Äußerst freizügig und in großer Stückzahl werden Bons verteilt, auch an Schreiber. Mit den Wertmarken kann man sich dann eine leckere Gulaschsuppe kaufen oder dies und das. Unglaublich. Wie gut muss es dem Kanupolo-Sport gehen? Welchen Zulauf muss er haben, welche Beliebtheit ereichen?

In der Tat: Es geht dem Kanupolo nicht so schlecht. Viele Kiddies wollen, wenn sie sich schon in ein Boot begeben, nicht stur und konditionsdröge geradeaus fahren. Sie wägen auch blitzgescheit die Gefahren ab und zögern also, bevor sie sich in einen mit Stromschnellen gespickten Wasserkanal stürzen, um durch Tore zu kurven, manchmal sogar entgegen dem Strom. Der Nachwuchs will Spaß haben, ein Spiel wagen, Teil einer Mannschaft sein und Tore werfen.

Englische Studenten hatten auf der Themse nichts anderes im Sinn, als sie sich einst in abgesägte Whiskey-Fässer setzten, den Kricketschläger als Paddel benutzten und den Sport in die Welt setzten. Damals war es eine Verzweiflungstat, weil gerade keine Ponys greifbar waren, oder aber ein schnäpserner Spaß, jedenfalls zieht Kanupolo seitdem durch die Länder, schlägt ein paar Wellen.

In Berlin spielen zwei Vereine in der zwölf Teams starken Ersten Bundesliga – die Märkischen Wanderpaddler und Nordwest Berlin. Insgesamt paddeln 200 Sportler in acht Vereinen. Cornelia Sommer und Katja Kraus standen im Nationalteam, das jüngst in Brasilien Weltmeister wurde. Beide Erstligaklubs kommen aus dem Westen. In der DDR hatte Kanupolo keine Tradition. Birgit Fischer zum Beispiel, die Kanutin mit eingebauter Medaillengarantie, die nun zum vierten Mal nach Olympia reist, kann Kanupolo nicht. Zu manövrierfreudig sind die kleinen Poloboote, als dass die Weltmeisterin darin eine akzeptable Figur machen könnte. Nach ihrem Karriereende will sie es aber erneut versuchen. Um abzutrainieren in geselliger Runde.

Ja, lustig sind sie, die Kanupoloisten. Da wird der Singsang der Big-Brother-Verabschiedungsszenen zum Besten gegeben, Bierfässer entlang der Regattastrecke Grünau gerollt, locker gepicknickt. Doch sie können auch anders. Nach dem Match Göttingen gegen Mechterdingen, das überraschend der Underdog aus Göttingen gewann, wussten sich die Mechterdinger nur mit ein paar Faustschlägen über die Niederlage hinwegzutrösten.

Auch im Wasser geht es deftig zu. Der Ballführende darf attackiert werden, also spielen die Verteidiger Schiffeversenken mit ihm, versuchen es wenigstens. Nassforsche Dynamik herrscht: Würfe in das Tornetz werden mit Paddeln geblockt, gegnerische Boote angefahren, gelegentlich Kenterrollen eingestreut. Die fünf Spieler, plus drei zum Auswechseln, tragen Eishockeyhelme, Neopren-Anzüge und eine Schwimmweste, die weniger für Auftrieb im Wasser sorgen als Schutz vor Paddelschlägen bieten soll. Zwei Schiedsrichter überwachen das Treiben. Nach zweimal zehn Minuten effektiver Spielzeit ist Schluss.

Etwa 2.000 Mark kostet die komplette Polo-Ausrüstung. Zunächst wird sie von den Vereinen gestellt, doch die Profis möchten natürlich ihr eigenes Material. Das Boot ist an der Spitze gepuffert, damit der Schaden bei Kollisionen gering bleibt. Nach zwei Jahren ist das Kanu nur noch Schrott, dünnwandig geworden von den vielen Crashs. Auch hierbei trösten die Essenbons über einiges hinweg. MARKUS VÖLKER

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