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Erstklassig schlechtes Geschäft

■ Die S-Bahn schafft zum 1. November die erste Klasse ab.

Der Senat hat in der vergangenen Woche beschlossen, die erste Klasse bei der S-Bahn abzuschaffen. Die Entscheidung ist erst jetzt bekannt geworden, weil die Zustimmung des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV) noch aussteht. Nach Einschätzung von HVV-Sprecherin Gisela Becker handelt es sich dabei allerdings bloß noch um eine „Formsache“.

Demnach würde es ab dem ers-ten November nirgends im HVV mehr eine erste Klasse geben. Mit den auf schwach frequentierten Strecken freiwerdenden Wagen sollen die Züge überlasteter Linien, wie der S3 nach Harburg, verlängert werden. „Wir meinen, dass wir der deutlichen Mehrheit der Fahrgäste damit etwas Gutes tun“, sagt S-Bahn-Sprecherin Katrin Fech.

Die S-Bahn hatte sich um die Abschaffung der ersten Klasse bemüht, weil die Einnahmen innerhalb des HVV rückwirkend zum 1. Januar 1999 nach einem neuen Modus unter den Mitgliedsunternehmen verteilt werden: Zählten bis dato die bereitgestellten Wagen, so wird künftig die Zahl der transportierten Fahrgäste vergütet.

Unter diesen Umständen ist die Erste Klasse für die S-Bahn ein schlechtes Geschäft. „Wir halten ein Drittel der Wagen für 13 Prozent der Fahrgäste bereit“, rechnet Fech vor. Dabei bezahlten lediglich sieben Prozent dieser KundInnen einen Erste-Klasse-Zuschlag. Der Rest fährt mit einer CC-Karte, ist von einem Fernzug umgestiegen oder braucht überhaupt nichts zu bezahlen, weil er Mitarbeiter eines Verkehrsunternehmens ist.

Trotzdem könnte der Schuss für den öffentlichen Nahverkehr und die Lebensqualität der Stadt nach hinten losgehen. Denn nach einer Fahrgast-Befragung des HVV, wollen 8,9 Prozent der Ersten-Klasse-Fahrer nach deren Wegfall aufs Auto umsteigen. Das entspräche einem Verlust von knapp zehn Millionen Mark oder 1,8 Millionen Fahrgästen im Jahr, die überdies die Straßen verstopfen würden.

Bei der S-Bahn teilt man diese Einschätzung nicht. “Wir gehen davon aus, dass nur sehr wenige abspringen werden“, sagt Pressesprecherin Fech. Im Gegenteil: Die S-Bahn erwarte, neue Kunden gewinnen zu können, weil sich die Leute nicht mehr wie die Sardinen in die Wagen quetschen müssten.

Das Problem für die S-Bahn sind die Stoßzeiten, wenn die meisten Leute zur Arbeit pendeln. „Wir halten etliche Züge überhaupt nur für anderthalb Stunden am Tag bereit“, sagt Fech, wobei die Anschaffung eines Kurzzuges mit drei Wagen sechs Millionen Mark koste. Andererseits lassen sich auch in der Hauptverkehrszeit die Züge nicht beliebig verlängern. Nach dreimal drei Wagen enden die Bahnsteige. Gernot Knödler

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