UN GIBT WIDERSTAND GEGEN JUGOSLAWIEN-WAHLEN IM KOSOVO AUF: Ein folgenschwerer Fehler
Die UN-Verwaltung des Kosovo (Unmik) hat ihren Widerstand gegen die Einbeziehung der Provinz in die jugoslawischen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen aufgegeben. Da nutzt es wenig, wenn Unmik-Chef Bernard Kouchner betont, die Abstimmungen am 24. September werden von den Vereinten Nationen weder organisiert noch unterstützt: Die westlichen Regierungen setzen auf die Durchführung der Wahlen und unterstützen die jugoslawische Opposition sogar in ihrem Vorhaben, daran teilzunehmen. Ein folgenschwerer Fehler, da kein Zweifel daran bestehen kann, dass diese Wahlen vom rechtlichen Standpunkt aus illegal sind und mit einem Sieg Milošević’ enden werden.
Die US-amerikanische Ankündigung, die Ausbildung von 20.000 bis 30.000 einheimischen Wahlbeobachtern finanzieren zu wollen, ist angesichts dessen nicht mehr als ein Witz. Denn die „Korrektheit“ des Wahlablaufes ist überhaupt nicht das Problem. Die Beobachter können Belgrad angesichts einer auf Basis illegaler Verfassungsänderungen angesetzten Wahl von nicht wirklich oppositionellen Gegenkandidaten und der brenzligen Situation in Montenegro sogar recht sein, geben sie den Abstimmungen doch eine gewisse Legitimität. Angesichts der Programme der Präsidentschaftskandidaten und ihrer schieren Anzahl – drei verschiedene Parteien haben Kandidaten gegen Milošević aufgestellt – wird der Amtsinhaber die Wahlen nämlich nicht nur gewinnen. Milošević wird zudem in der Lage sein, die Abstimmung gegen den erklärten Willen der montenegrinischen Regierung auch in der kleineren Teilrepublik abzuhalten. Dort werden zwar vor allem seine Anhänger teilnehmen. Und letztendlich wird nicht die Wahlbeteiligung, sondern das Ergebnis zählen.
Milošević wird also auf nicht absehbare Zeit Präsident bleiben – und kann sich dank der Schwäche der demokratischen Kräfte in Serbien sowie der Ignoranz der politischen Opposition und der westlichen Regierungen sogar auf die „Legitimität“ eines Wahlergebnisses stützen. Das wird die so oder so schon vorherrschende politische, soziale und wirtschaftliche Agonie in Jugoslawien weiter verstärken. Montenegro wird zu einer serbischen Provinz degradiert. Das von einem Kriegsverbrecher geführte Land wird international als Paria geächtet und isoliert, der Einfluss von außen auf Veränderungen im Inneren wird gegen Null tendieren. Beziehungen mit der Außenwelt werden weiter von lähmendem Stillstand gekennzeichnet sein.
Die Folgen für die krisenhafte Situation auf dem gesamten Balkan, speziell in Bosnien und Kosova, liegen auf der Hand. Die „demokratische Opposition“ – eine Formulierung, die man, unter anderem angesichts der Klagen über die Korruption in den Städten, wo diese an der Macht ist, nur unter Vorbehalt benutzen sollte – nimmt im vollen Bewusstsein, dass Milošević gewinnen wird, an den Wahlen teil. Sie ist bereit, Montenegro zu opfern, um ein paar Posten und Pfründen zu ergattern. Im Übrigen stimmt der größte Teil der Opposition mit zentralen Positionen des Regimes überein und hat bekanntermaßen schon allzu oft die Macht mit Milošević geteilt. Umso enttäuschender, dass es dem Milošević-Regime ein weiteres Mal gelingt, seinen Gegnern und der internationalen Gemeinschaft eine Nase zu drehen. Bereits zu Beginn des Kosovo-Krieges bestand die Gefahr, dass Milošević zum „Saddam Hussein“ des Balkans wird; international geduldete, ja geförderte jugoslawische Wahlen jetzt auch in Kosova sind eine weitere Steilvorlage in diese Richtung. Der Belgrader Potentat muss sich am Ziel seiner Wünsche fühlen.
Was kann man angesichts der verfahrenen Situation jetzt noch tun? Wenig, es ist fünf vor zwölf! Das einzige Richtige ist, das Ruder politisch völlig herumzureißen, die Wahlen am 24. September als illegal zu brandmarken und die politische Opposition – die bekanntermaßen seit Jahren erheblich von westlichen Donatoren unterstützt wird – aufzufordern, sich in ganz Jugoslawien allenfalls auf eine Kandidatur für Kommunalwahlen einzulassen, und sich ansonsten nicht und nirgends zu beteiligen. Nur dadurch bliebe der internationalen Gemeinschaft und den wirklich demokratischen Kräften in Jugoslawien wenigstens die Möglichkeit erhalten, das bereits feststehende Wahlergebnis später als illegitim zu behandeln und die zu erwartende Beseitigung Montenegros als autonome Republik politisch zu bekämpfen. JÜRGEN BUXBAUM
Ethnosoziologe, lebt in Bosnien-Herzegowina
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