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Fundstücke

■ Dagmar Kamlahs Kompilationen

Wenn ab sofort an kein Meter Zelluloid mehr belichtet würde, wäre das nicht zwangsläufig das Ende des Films. Denn auch aus dem in nun gut hundert Jahren entstandenen Material ließe sich noch eine Fülle interessanter neuer Filme herstellen. Was bei Kompilationsfilmen ja schon seit Jahrzehnten praktiziert wird. Oder im so genannten Found-Footage-Film, bei dem Bilder und Töne collageartig und losgelöst von ihrem ursprünglichen Zusammenhang eingesetzt werden.

Zu großer Virtuosität im Umgang mit fremdem Material hat es die Hamburgerin Dagmar Kamlah gebracht, die jetzt ihren neuen Film Schöne alte Welt zusammen mit einer Auswahl früherer Arbeiten präsentiert. Die schöne alte Welt ist der Stand der EDV im Jahr 1970. Univac-9300-Ungetüme sortieren da Berge von Lochkarten und definieren die Programmabläufe zwischen Weiß-, Grau- und Blaukitteln. Während der Kommentar zunächst mit großer Emphase von der neuen Welt des Programmierens schwärmt, wird die Antiquiertheit des gezeigten Schulfernsehen-Materials deutlich, wenn plötzlich von Netzwerken und modernen PC-Anwendungen die Rede ist.

Wenn Inszenieren ein Blick ist, dann ist Schneiden ein Herzschlag: Nach diesem Prinzip montiert Kamlah seit den achtziger Jahren ihre Filme. In Immer nie schöpft die Montage aus den Kontrasten – zwischen den Primadonnen und Ballerinen der italienischen Oper und Bildern von australischem Landbau und Central Park – das Gefühl einer weiblichen Desperada. Zu den amerikanischen Großstadtbildern in Brockoly hat Harry Heinen von den Straßenjungs einen schönen Soundtrack geliefert. Kuli und Spend your Time bestehen aus Out-Takes von Fernsehserien bzw. konfrontieren diese mit einer Radio-Musikwunschsendung.

Dass sie auch eigene Bilder finden kann, zeigt die gelernte Cutterin und ehemalige Mitarbeiterin des HR-Filmarchivs in Garnit, der sich mit der Neugestaltung des Frankfurter Stadtbildes auseinandersetzt.

Eckhard Haschen

Freitag, 21.15 Uhr, Metropolis Zu Gast: Dagmar Kamlah

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