: Fall bleibt ungelöst
■ Warum die am Dienstag beginnenden 3. Bremer Krimitage mehr versprechen als die vorgezogene erste Veranstaltung hielt
Mit „Prime Time – Crime Time“ ist das in der kommenden Woche zum dritten Mal stattfindende Krimitreffen in Bremen überschrieben. Verantwortlich zeichnet, wie könnte es anders sein, Jürgen Alberts. Der Krimiautor pflegt seit Jahren Kontakte zu KollegInnen.
Spannend war das Thema der vorgezogenen ersten Veranstaltung, zu der die „Bremer Bücherfrauen“ bereits am Dienstag in die literarische Asservatenkammer luden. Der Untertitel „Über das Weibliche in der Kriminal-Literatur“ mochte eine ernsthafte Auseinandersetzung ankündigen. Doch die Chance, ein Genre aus speziellem Blickwinkel zu beleuchten, wurde eindrucksvoll versemmelt.
Mit der Autorin und Journalistin Nina Schindler („Das Mordsbuch“) hatte man eine Referentin geholt, die sich in der Krimiliteratur gut auskennt. Als Verbündete der vor zehn Jahren in den USA gegründeten Autorinnenvertretung „Sisters in Crime“ hätte man Details über die Produktionsbedingungen erwartet. Doch vieles blieb im Ansatz stecken, ließ analytische Differenziertheit vermissen.
Dabei lagen wichtige Fragen bereit, die nicht mehr ermittelt, sondern bloß noch interpretiert werden mussten. Die Relevanz ergibt sich bei einem Genre von selbst, „wo Frauen schon immer eine besondere Rolle spielten – von der Autorin bis zur Leiche“. So war es Anna Catherine Green, die 1878 mit „The Levensworth Case“ die Gattung Roman in die Kriminalliteratur einführte. Da wären Phänomene wie der durch real existierende Diskriminierung hervorgerufene Hang der Autorinnen zu Pseudonymen oder auch aktuelle Marketingstrategien, die in ihrer „Von-Frauen-für Frauen-Seligkeit“ unter die Lupe genommen gehören.
All das kam in Schindlers Vortrag irgendwie vor, verhungerte aber noch vor der Zielgeraden. Ausgerechnet bei Chandler dann unterlief Schindler ein Generalfehler, indem sie den Machismo des hardboiled-guy Philipp Marlowe mit dem Autor identifizierte – um kurz darauf weibliche Pendants wie V.I. Varshavsky unkritisch zu „tollen Frauen“ und „unbeirrbaren Einzelgängerinnen“ zu stilisieren. Schon mal daran gedacht, dass man Chandlers Romane auch als ironische Introspektionen ihrer „Helden“ lesen kann? Wenn ein 90-Minuten-Vortrag sich in endlosen Aufzählungen selbst genügt, bleibt unter dem Strich wenig mehr als die Erkenntnis, dass man sich das Krimigenre durchaus genauer anschauen könnte. Wären wir so gar nicht drauf gekommen!
Bleibt zu hoffen, dass das Restprogramm von „Crime Time 3“ mit AutorInnen wie Ingrid Noll, der uruguayisch-kubanischen Größe Daniel Chavarría oder der in den 60er Jahren revolutionär anders schreibenden Maj Sjöwall spannender wird. Da Sie den genauen Fahrplan der Lesungen in jeder Buchhandlung finden können, sei hier nur auf drei ungewöhnliche Veranstaltungen hingewiesen. Will man etwas über den Stand deutscher Krimiästhetik erfahren, konfrontiert man am besten Erzählstrategien und Schreibweisen direkt miteinander. Heraus kommt dann nicht eine Podiumsdiskussion, sondern ein Kettenkrimi. Der heißt originellerweise „Gipfeltreffen“ und wird von den zehn preisgekrönten KriminalistInnen am Dienstag im Sendesaal von Radio Bremen präsentiert, inklusive einer genretypischen Komposition des Pianisten Mark Scheibe (12.9., 20h).
Tags darauf könnte man sich ins Kino 46 begeben, wo der 1943 geborene Ex-Kaufmann Frank Göhre in Wort und Bild über den Zusammenhang von Roman, Drehbuch und Film Auskunft geben wird. Göhre hat übrigens „St. Pauli Nacht“ geschrieben, im letzten Jahr von Sönke Wortmann verfilmt (13.9., 20h). Zu guter Letzt gibt es noch die große Krimi-Nacht mit allen Beteiligten im Ratskeller (14.9., 20h) sowie Chavarrías Lesung in der Villa Ichon (13.9., 20h). Tim Schomacker
Die taz verlost an die schellsten AnruferInnen drei Exemplare des Buchs „Gipfeltreffen“ an diejenigen, die folgende kleine Frage beantworten können. Wie lautet der Titel des Romans von Raymond Chandler, den Howard Hawks 1946 verfilmte? (Tel.: 320 123). Kleiner Tipp: Es ist der einzige Film mit Bogart in der Rolle des Philipp Marlowe. Karten für und Infos über die Krimitage gibt es u. a. in der Buchhandlung Geist, Tel.: 32 71 73
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen