DER EURO BRAUCHT MEHR POLITISCHE INTEGRATION IN EUROPA: Niedergang eines Symbols
Das neue Motto der Experten lautet: „Kräht der Hahn auf dem Mist, fällt der Euro oder er bleibt, wie er ist.“ Klar ist auf jeden Fall nur eines: Es ist egal, wie sich die Wirtschaft entwickelt – die wahren Gründe für die Schwäche des Euro sind in der Politik zu suchen.
Dafür spricht schon die Geschichte der Europäischen Gemeinschaft. Sie ist nach dem Zweiten Weltkrieg ursprünglich als politisches Projekt verstanden worden. Ihr erster Vorläufer, die Montanuion, war zwar ein wirschaftliches Bündnis, aber in den Köpfen der Menschen hatte die politische Gemeinschaft Vorrang. Die Integration auf Wirtschaftsebene schlich eher unbemerkt heran – kam dann aber umso heftiger. Erst wurden die Kurse der europäischen Währungen aneinandergekoppelt, dann wurden die nationalen Zentralbanken entmündigt. Plötzlich war er da, der Euro, als Krönung der „Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion“.
Bei der Integration auf politischer Ebene lief es anders: Sie wurde mit vielen schönen Gesten gefeiert und kam kaum voran. Von der einst erträumten gemeinsamen europäischen Regierung sind wir so weit entfernt wie eh und je. Daran haben auch die vielfältigen Bemühungen der selbst ernannten „Integrationslokomotiven“ Kohl und Mitterrand wenig geändert.
Da die politische Integration nach dem Maastrichter Vertrag 1992 stagnierte, setzten die Staats- und Regierungschefs primär auf die wirtschaftliche Integration: Wenn die klappte, so hoffte man, dann würde die Politik schon nachziehen: Der Euro als gemeinsame Währung und symbolträchtiger Wegweiser.
Doch der Euro leidet am Henne-Ei-Problem: Nicht die politische Integration folgt der wirtschaftlichen, sondern die Wirtschaft wartet auf mehr politische Integration. Und dieser Erwartungshaltung gibt der schwache Euro Ausruck. Besonders fatal wirken sich da die offen geäußerten Zweifel aus, die eine Aufnahme osteuropäischer Länder in die EU als nicht wünschenswert erscheinen lassen. Zumal sich in der Praxis immer gezeigt hat: Im Zweifelsfall besitzt die nationale Politik immer noch Vorrang vor einer gemeinsamen wirtschaftlichen Lösung.
Noch scheinen die Politiker nicht wahrhaben zu wollen, dass der Euro erst dann zulegen wird, wenn sie gemeinsam reden und handeln. Die Finanzminister Eichel und Fabius, die sich heute „für einen starken Euro“ aussprechen, zeigen vor allem, dass sie von der Wirtschaft nichts verstanden haben. Dem Euro wäre nur geholfen, wenn die Regierungen sich für mehr politische Gemeinschaft aussprechen. KATHARINA KOUFEN
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